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„Der Spuk hat endlich ein Ende“

Andreas Opitz, BDAE
Andreas Opitz, BDAE
In einem Interview mit DAS INVESTMENT.com erläuterte Andreas Opitz 2011 den Fall eines renommierten Getränkeherstellers, der einen Mitarbeiter nach Frankreich geschickt und Jahre später betriebsbedingt entlassen hatte. Es stellte sich heraus, dass das Unternehmen ihn all die Jahre einfach weiter in Deutschland versichert hatte, so dass der Angestellte nach seiner Entlassung keinen Anspruch auf französische Sozialleistungen erhielt. Aber auch von Deutschland bekam der Mann kein Geld, da er ja seinen Lebensmittelpunkt nicht in der Bundesrepublik hatte. Von seinem Ex-Arbeitgeber im Stich gelassen, zog der ehemalige Angestellte vor Gericht.

Wie der Rechtsstreit endete und was Firmen generell bei Auslandsentsendungen beachten müssen, erklärt Opitz in einem Gastbeitrag. Opitz ist Geschäftsführer der BDAE Gruppe, die Expatriates und deren Arbeitgeber berät. Nicht das erhoffte Happy End

Es ist nicht das erhoffte Happy End, aber der Spuk hat endlich ein Ende und Paul F. und sein Ex-Arbeitgeber haben sich geeinigt. Wie hoch die Summe tatsächlich ist, sagt Paul F. nicht, aber beim letzten Gespräch mit uns klang er gelöst. Um 500.000 Euro Schadensersatz hatte er drei Jahre lang gekämpft – Schadensersatz für den Verlust einer voraussichtlichen Rentenzahlung von 180.000 Euro und Arbeitslosengeld, was er nicht bekam.

Was war passiert: 15 Jahre lang war Paul F. bei einem namhaften deutschen Getränkehersteller beschäftigt. Dieser bot ihm 1996 eine Stelle als Vertriebsleiter in Frankreich an. Der Familienvater, der selbst Deutsch-Franzose ist, ergriff die Chance gerne. Er verlagerte seinen Wohnsitz und Lebensmittelpunkt nach Bordeaux, wo er ab sofort für die Gesellschaft seinen Job ausübte. Er blieb weiterhin in Deutschland weisungsgebunden und erhielt sein Gehalt von der deutschen Niederlassung. Wie einige seiner Kollegen auch, ging er davon aus, dass er klassisch entsandt worden ist. Viele Arbeitnehmer bevorzugen eine klassische Entsendung, da sie dann weiterhin in ihrem Heimatland versichert bleiben und nicht in das Sozialversicherungssystem des Gastlandes übertreten müssen.

Im Sinne der Entsendung führte der Getränkeproduzent scheinbar ordnungsgemäß Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland ab. Es war als wäre Paul F. nach wie vor in Deutschland angestellt – bis zu dem Moment als er im Mai 2010 nach 15 Jahren von seinem Unternehmen betriebsbedingt gekündigt wurde.

Etwas merkwürdig kam es F. all die Jahre über schon vor, dass er – wohnhaft und tätig in Frankreich – weiterhin in das deutsche Sozialversicherungssystem einzahlte. Doch die Personalabteilung beschwichtigte ihn jedes Mal und sagte, es sei alles richtig so. F. vertraute seiner Firma, die auch andere Mitarbeiter ins Ausland entsandt hatte. Paul F. glaubte, in den Händen von Experten zu sein. Immerhin hat das Unternehmen eine eigene Exportabteilung und demzufolge Erfahrung mit Auslandseinsätzen.

Missbrauchtes Vertrauen

Dieses Vertrauen hatte sein Arbeitgeber jedoch missbraucht, wie F. feststellte als er nach seinem Jobverlust das erste Mal beim Arbeitsamt vorsprach, um Arbeitslosengeld zu beantragen.

Er sei die ganze Zeit in Frankreich beschäftigt gewesen, habe dort seinen Lebensmittelpunkt und deshalb in Deutschland keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, hieß es. Er könne es allenfalls bei den französischen Behörden versuchen, sagte man ihm dort. Das tat Paul F. – allerdings ebenso erfolglos. Die Sozialversicherungsbeiträge seien in Deutschland abgeführt worden, von dort habe er auch sein Gehalt bezogen, demnach sei er also die ganze Zeit als deutscher Angestellter geführt worden, sagte man ihm in Frankreich. Die Konsequenz: Kein Anspruch auf französisches Arbeitslosengeld.

Paul F. erläutert der Personalabteilung seines Arbeitgebers das Dilemma, die ihn jedoch vertröstet und sagt, es werde sich schon alles regeln. Tut es aber nicht. Paul F. beginnt zu recherchieren und findet heraus, dass er eigentlich in Frankreich zu den lokalen Regeln hätte angestellt werden müssen.

Zu diesem Zeitpunkt wendet er sich an die Auslandsberatungsstelle der BDAE Gruppe. Diese prüft seinen Fall und sagt ihm, dass laut der damals geltenden EWG-Verordnung Nr. 1408/71 (heute 883/2004) bei einer Beschäftigung in einem anderen EU-Staat das so genannte Territorialitätsprinzip gilt. Das bedeutet: Grundsätzlich werden die Rechtsvorschriften desjenigen Staates angewandt, in dem auch tatsächlich die Beschäftigung ausgeübt wird. Bei Paul F. war das Frankreich und nicht Deutschland. Das Getränke-Unternehmen hätte ihn also vor Ort anstellen und folglich Sozialversicherungsbeiträge an das französische System abführen müssen.
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