Volkswirt Johannes Mayr
Das steckt hinter der neuen EZB-Strategie
Johannes Mayr ist Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz. Foto: Eyb & Wallwitz
Die Europäische Zentralbank hat das Inflationsziel kürzlich auf glatt 2 Prozent festgelegt und steckt sich neue Klimaschutzziele. Johannes Mayr von Eyb & Wallwitz erklärt, was hinter der Strategie steckt.
Die Strategie der Europäischen Zentralbank (EZB) wird von Ökonomen, aber auch von der Öffentlichkeit regelmäßig hitzig diskutiert. Vorschläge für Änderungen von zentralen Steuerungsparametern der Geldpolitik, vor allem das Inflationsziel betreffend, werden gerade in Deutschland sehr skeptisch betrachtet. Stets schwingt der Verdacht von staatlichen Zugriffen auf die Vermögen und Ersparnisse durch die Hintertür mit. Dabei sind die modernen Inflationsziele der Notenbanken eine recht junge Entwicklung und Veränderungen gab es stetig.
Bis zum Kollaps des Bretton-Woods-Systems Anfang der 1970er Jahre lag der Fokus der Geldpolitik auf einem stabilen Außenwert der Währungen. Es folgte der Versuch,...
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Die Strategie der Europäischen Zentralbank (EZB) wird von Ökonomen, aber auch von der Öffentlichkeit regelmäßig hitzig diskutiert. Vorschläge für Änderungen von zentralen Steuerungsparametern der Geldpolitik, vor allem das Inflationsziel betreffend, werden gerade in Deutschland sehr skeptisch betrachtet. Stets schwingt der Verdacht von staatlichen Zugriffen auf die Vermögen und Ersparnisse durch die Hintertür mit. Dabei sind die modernen Inflationsziele der Notenbanken eine recht junge Entwicklung und Veränderungen gab es stetig.
Bis zum Kollaps des Bretton-Woods-Systems Anfang der 1970er Jahre lag der Fokus der Geldpolitik auf einem stabilen Außenwert der Währungen. Es folgte der Versuch, Preisstabilität über innere Zwischenziele, insbesondere durch eine Steuerung der umlaufenden Geldmenge zu erreichen. Die Idee zur Sicherung von Preisstabilität durch die Vorgabe von konkreten numerischen Inflationszielen gewann erst mit dem Schwinden des Zusammenhangs zwischen Geldmenge und Preisentwicklung Anfang der 1990er Jahre an Aufmerksamkeit.
Als erste Notenbank stellte die Bank of New Zealand 1990 ihr Ziel vor, die Inflationsrate in einem Bereich zwischen 0 und 2 Prozent zu halten. Wenig später folgten die Bank of Canada, die Bank of England und die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) mit ähnlichen Zusagen. In Europa gaben die Mitgliedsstaaten der EZB im Vertrag von Maastricht die Sicherung der Preisstabilität als Primärziel auf. In ihrer ersten geldpolitischen Strategie konkretisierte die EZB dieses Ziel im Oktober 1998 mit einem Inflationsziel von „unter 2 Prozent“. Vier Jahre später adjustierte die EZB ihre Strategie und definiert seitdem Preisstabilität als Inflationsrate von „unter, aber nahe 2 Prozent“.
Nun hat die EZB die Ergebnisse ihres im Januar 2020 begonnen neuen Strategieprozesses vorgestellt. Sie folgt damit dem Vorbild der Fed, deren Prozess im Herbst letzten Jahres in einer Anhebung des Inflationsziels mündete, was die Inflationserwartungen und die US-Renditen mit nach oben geführt hat. Wie im Fall der US-Notenbank könnten die neuen Weichenstellungen der EZB erhebliche Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben. Dies aber vor allem in der längeren Frist. So hätten der EZB bei einem Festhalten an der ursprünglichen Ziel-Definition von „unter 2 Prozent“ die Argumente für die enormen Lockerungsschritte seit 2014 fast gänzlich gefehlt.
Der Strategieprozess – Ziele, Agenda, Zeitplan
Ziel des neuen Strategieprozesses war laut EZB zu prüfen, in welchen Bereichen die geldpolitische Strategie angesichts der Veränderungen von Wirtschaftswachstum, Inflation und Zinsniveau seit 2003 sowie der Megatrends Digitalisierung, Globalisierung, Demografie und Klimawandel angepasst werden muss, um maximal wirksam zu sein. Dabei sollten vor allem auf vier zentrale Fragen Antworten gegeben werden:
- Inflationsziel: Was genau bedeutet Preisstabilität, also welche Inflationsrate soll angestrebt werden?
- Inflationsmessung: Wie wird Inflation gemessen und auf welche Indikatoren blickt die EZB künftig, um Risiken für die Preisstabilität und deren Folgen frühzeitig zu erkennen.
- Welche geldpolitischen Instrumente setzt die EZB künftig ein, um das Inflationsziel zu erreichen?
- Welche Rolle spielt die EZB in den Bereichen Klimawandel, Arbeitsmarkt und Finanzstabilität?
Die Ergebnisse liegen nun vor.
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