Volkswirt Johannes Mayr
Das steckt hinter der neuen EZB-Strategie
Johannes Mayr ist Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz. Foto: Eyb & Wallwitz
Die Europäische Zentralbank hat das Inflationsziel kürzlich auf glatt 2 Prozent festgelegt und steckt sich neue Klimaschutzziele. Johannes Mayr von Eyb & Wallwitz erklärt, was hinter der Strategie steckt.
Interessant für Investoren ist auch die Entscheidung, welche Instrumente die EZB künftig zur Erreichung ihres geldpolitischen Ziels einsetzen wird und wie stark dieser Einsatz ausfällt. Die Festlegung auf einen asymmetrischen Einsatz der Mittel legt nahe, dass die EZB künftig bei niedriger Inflation noch entschlossener agieren wird und bisherige Grenzen für die einzelnen Instrumente – insbesondere die QE-Programme – weniger Bedeutung haben werden. Darauf deutet auch der Verweis von Lagarde hin, dass das Covid-Notfallkaufprogramm (PEPP) erfolgreich gezeigt habe, wie die Geldpolitik künftig funktionieren könne.
Zudem sollen die bisher als „unkonventionell“ bezeichneten...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Interessant für Investoren ist auch die Entscheidung, welche Instrumente die EZB künftig zur Erreichung ihres geldpolitischen Ziels einsetzen wird und wie stark dieser Einsatz ausfällt. Die Festlegung auf einen asymmetrischen Einsatz der Mittel legt nahe, dass die EZB künftig bei niedriger Inflation noch entschlossener agieren wird und bisherige Grenzen für die einzelnen Instrumente – insbesondere die QE-Programme – weniger Bedeutung haben werden. Darauf deutet auch der Verweis von Lagarde hin, dass das Covid-Notfallkaufprogramm (PEPP) erfolgreich gezeigt habe, wie die Geldpolitik künftig funktionieren könne.
Zudem sollen die bisher als „unkonventionell“ bezeichneten Instrumente künftig fast gleichberechtigt zur Zinspolitik eingesetzt werden. Tatsächlich dürften vor allem die im Zuge der Finanzkrise und der Covid-Pandemie neu hinzugefügten Instrumente - Forward Guidance, gezielte längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte ((T)LTROs), Negativzins und vor allem QE-Programme - auch in normalen Zeiten die Geldpolitik dominieren.
Eine Rückkehr zu „alten“ Zeiten, in denen die Liquiditätsversorgung fast ausschließlich über den Bankenmarkt zu festen Leitzinsen gesteuert wurde, gehört damit offiziell der Vergangenheit an. Im Vergleich zu den Jahren 2003 bis 2008 dürfte die Bilanz der EZB auch längerfristig auf sehr hohen Niveaus liegen. Das heißt aber auch, dass der Einfluss der EZB auf die Finanzmärkte sehr hoch bleiben wird. Ebenso bedeutend für die Kapitalmärkte ist die Aussage, dass die seit der Covid-Pandemie sehr eng gewordene, aber umstrittene Kooperation von Geld- und Fiskalpolitik ein Garant für ein Erreichen des Inflationsziels ist. Die Stützung der staatlichen Finanzierungskosten durch den Ankauf von Staatsanleihen bleibt auf absehbare Zeit also das zentrale Instrument der Geldpolitik.
Intensiv diskutiert wurde auch die Frage, welche Instrumente die EZB künftig einsetzen könnte, um nachhaltige Investitionen (ESG) anzuschieben. Die EZB hat nun einen Maßnahmenplan zur Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten in ihrer Geldpolitik veröffentlicht. Die erwartete Aufnahme von ESG-Kriterien in die Allokation der Wertpapierkäufe wurde zwar beschlossen, wird aber wohl nicht vor Mitte 2022 umgesetzt.
Dennoch gibt die EZB mit ihrer Roadmap ein klares Signal, dass die bisherige Übergewichtung von CO2-intensiven Sektoren im Kaufprogramm für Unternehmensanleihen korrigiert wird, auch um die Klimapolitik der EU nicht zu konterkarieren. Das wird Folgen haben für die Finanzierungskosten der betroffenen Unternehmen und damit deren Wettbewerbsfähigkeit. Problemlos ist dies allerdings nicht, denn derartige Eingriffe bergen stets Potenzial für Konflikte mit dem Ziel der Preisstabilität. So könnte ein geldpolitisch angezeigter Ausstieg aus den QE-Programmen aus Sorgen vor Klimaeffekten noch länger hinausgeschoben werden.
Ausblick – Weichenstellungen für anhaltend expansiven geldpolitischen Kurs
Auf den ersten Blick kommen die Anpassungen der EZB-Strategie kleinteilig daher. Vor allem am Sinn und der Glaubwürdigkeit einer Anhebung des Inflationsziels gibt es erhebliche Zweifel. Denn trotz aller Maßnahmen hat es die EZB in den vergangenen Jahren nicht geschafft, Inflationserwartungen und tatsächliche Preisdynamik in der Nähe von 2 Prozent zu verankern. Das ist aber kein rein europäisches Phänomen. Die Ursachen für die geringe Dynamik der Inflation sind vielmehr zu einem erheblichen Teil globaler Natur und mit Feinsteuerungen regionaler Geldpolitik kaum zu adressieren. Die makroökonomischen Auswirkungen sind deshalb gering. Für den Kapitalmarkt sind die Ergebnisse dennoch bedeutend.
Die Anpassungen im Bereich Inflationsziel und Inflationsmessung werden den geldpolitischen Kurs kurzfristig kaum ändern. Denn mit einer raschen Normalisierung der Geldpolitik rechnen Investoren ohnehin nicht. Auf längere Sicht signalisiert die EZB mit der Tolerierung eines Überschießens, dem Fokus auf der Kooperation von Geld- und Fiskalpolitik sowie der stärkeren Berücksichtigung von Klimarisiken aber, dass ein Weg zurück in das alte Normal keine Option mehr ist. Auch stärkt die EZB damit die Legitimation einiger faktisch bereits unternommener Lockerungsschritte und Weichenstellungen im Nachhinein. Vermögenspreise bleiben damit noch stärker durch die Geldpolitik gestützt und dürften sich noch weiter von der realwirtschaftlichen Entwicklung abkoppeln können.
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