Deutsche-Bank-Experte Eric Heymann
Was an Europas grünem Deal nicht stimmt

Deutsche-Bank-Experte Eric Heymann
Ist es gut für die Glaubwürdigkeit der europäischen Klimaschutzpolitik, wenn man derart ambitionierte langfristige Klimaschutzziele bis 2050 formuliert und nur eine vage Vorstellung davon hat, wie diese zu erreichen sind, zugleich aber kurz- bis mittelfristig umsetzbare Maßnahmen für einen effizienteren Klimaschutz nur unzureichend auf den Weg bekommt? Ich meine, nein.
Zu den Ritualen nationaler...
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Ist es gut für die Glaubwürdigkeit der europäischen Klimaschutzpolitik, wenn man derart ambitionierte langfristige Klimaschutzziele bis 2050 formuliert und nur eine vage Vorstellung davon hat, wie diese zu erreichen sind, zugleich aber kurz- bis mittelfristig umsetzbare Maßnahmen für einen effizienteren Klimaschutz nur unzureichend auf den Weg bekommt? Ich meine, nein.
Zu den Ritualen nationaler und internationaler Klimapolitik zählt es, dass sich die Politik ambitionierte langfristige Klimaschutzziele setzt. Zumeist wird es dann lange vor Ablauf der gesetzten Frist offensichtlich, dass die Ziele verfehlt werden. Als Reaktion ruft die Politik üblicherweise noch anspruchsvollere Ziele für die (noch) fernere Zukunft aus. Warum ist das der erste Gedanke, der mir nach der Durchsicht des europäischen grünen Deals kommt, in dem die EU-Kommission das Ziel „Klimaneutralität bis 2050“ formuliert hat?
Aber gehen wir einen Schritt zurück: Die oben skizzierte regelmäßige Zielverfehlung liegt, anders als manche Klimaaktivisten argumentieren, nicht so sehr daran, dass die Politik nichts für den Klimaschutz unternommen hätte. Beispielsweise fließen global pro Jahr mehrere hundert Milliarden Euro, oftmals als Subventionen, in erneuerbare Energien.
Die Politik fördert Technologien wie die E-Mobilität oder das energetische Sanieren von Gebäuden. In vielen Ländern und Sektoren existiert ein strenges Ordnungsrecht, das dazu beitragen soll, Energieverbrauch und CO2-Emissionen zu senken. Die Steuern auf Energie sind in den meisten Ländern in den letzten Jahrzehnten gestiegen; Subventionen für fossile Energien wurden zurückgeführt.
Die Zielverfehlung liegt also eher daran, dass es noch keine leistungsfähigen, verlässlichen, kostengünstigen und CO2-armen Technologien gibt, die den wachsenden Energiehunger der Erde stillen können. Das Verfehlen der Ziele ist ferner darin begründet, dass unser über Jahrzehnte gewachsenes Wirtschaftssystem, also unsere alltäglichen Konsum- und Produktionsgewohnheiten, sehr träge sind.
Schnelle Änderungen verursachen ökonomische, soziale und politische Kosten. Diese sind der Politik durchaus bewusst, sie sind in der öffentlichen Debatte häufig aber nur eine Randnotiz. Die Politik muss sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, dass ihre Klimaschutzpolitik nicht effizient genug ist, dass sie also zu wenig auf eine umfassende Bepreisung von CO2 setzt.
Früheres langfristiges Klimaschutzziel der EU war bereits sehr ambitioniert
Wie hat sich die EU in puncto Klimaschutz bislang positioniert? Für einige Zeit hatte sie das Ziel gesetzt, die Emissionen von Treibhausgasen (THG) bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 zu senken. Bis 2020 dürfte die EU davon fast 25 Prozent des Weges geschafft haben. Das ist eine beachtliche Reduktion, wenn man bedenkt, dass die globalen energiebedingten CO2-Emissionen bis 2020 um weit mehr als 60 Prozent gegenüber 1990 steigen werden.
Mit der THG-Reduktion um annähernd 25 Prozent wird die EU sogar ihr selbst gestecktes Ziel aus dem Jahr 2007 (-20 Prozent gegenüber 1990) übererfüllen. Richtig ist aber auch, dass die EU für die ersten rund 25 Prozent THG-Senkung etwa 30 Jahre brauchen wird.
Der Rest sollte in den nächsten 30 Jahren folgen. Das allein kann einen schon stutzig machen, denn in der Regel sind die Fortschritte zu Beginn besonders groß, wenn die viel zitierten tief hängenden Früchte geerntet werden können.
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