Deutsche-Bank-Experte Eric Heymann
Was an Europas grünem Deal nicht stimmt
Aktualisiert am 05.03.2020 - 15:01 Uhr
Klimaprotest am Brandenburger Tor: Auch Politiker setzen Klimaschutz auf ihre Tagesordnung.
Mit ihrem Green Deal ruft die EU-Kommission das hehre Ziel der Klimaneutralität bis 2050 aus. Aus Sicht von Deutsche-Bank-Ökonom Eric Heymann setzt sie damit jedoch zuvorderst ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel.
Zuletzt befand sich die EU auch nicht mehr konstant auf Kurs. Trotz des nur moderaten Wirtschaftswachstums sanken die THG-Emissionen zwischen 2014 und 2017 nicht mehr. 2018 und wohl auch 2019 ist zwar wieder ein Rückgang zu verzeichnen. Ein steiler und stetiger Abwärtstrend ist jedoch nicht in Sicht.
Im aktuell vorgelegten Climate Action Tracker, einem jährlichen Bericht, der die Fortschritte einzelner Länder beim Erreichen ihrer Klimaschutzziele von Paris untersucht, werden die Ziele und Maßnahmen der EU als „unzureichend“ bezeichnet. Mit diesem Urteil ist die EU jedoch nicht allein. Die USA, China oder Japan schneiden noch schlechter ab. Lediglich zwei der im Climate Action Tracker...
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Zuletzt befand sich die EU auch nicht mehr konstant auf Kurs. Trotz des nur moderaten Wirtschaftswachstums sanken die THG-Emissionen zwischen 2014 und 2017 nicht mehr. 2018 und wohl auch 2019 ist zwar wieder ein Rückgang zu verzeichnen. Ein steiler und stetiger Abwärtstrend ist jedoch nicht in Sicht.
Im aktuell vorgelegten Climate Action Tracker, einem jährlichen Bericht, der die Fortschritte einzelner Länder beim Erreichen ihrer Klimaschutzziele von Paris untersucht, werden die Ziele und Maßnahmen der EU als „unzureichend“ bezeichnet. Mit diesem Urteil ist die EU jedoch nicht allein. Die USA, China oder Japan schneiden noch schlechter ab. Lediglich zwei der im Climate Action Tracker untersuchten Länder bekommen attestiert, genügend dafür zu tun, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen: Gambia und Marokko.
Ziel: Klimaneutralität bis 2050
Das Ziel einer THG-Reduktion um 80 bis 95 Prozent ist der EU nun offiziell nicht mehr genug. Sie sattelt noch einen drauf: Klimaneutralität bis 2050! Wie realistisch schätzen dies neutrale Beobachter wie die Internationale Energieagentur (IEA) ein? Die IEA hat im November ihren neuen World Energy Outlook vorgelegt, der verschiedene Energieszenarien bis zum Jahr 2040 enthält.
In ihrem Hauptszenario, in dem die Zusagen aus Paris umgesetzt werden, sinken die CO2-Emissionen der EU bis 2040 gegenüber 2018 um gut 50 Prozent. Selbst im ungleich ambitionierteren und aus heutiger Sicht höchst unwahrscheinlichen „Sustainable Development Scenario“ (SDS) gelingt bis 2040 nur eine Reduktion um 73 Prozent gegenüber heute. Im SDS entfallen auch 2040 noch knapp 40 Prozent des Primärenergieverbrauchs auf Erdgas, Öl und Kohle (gegenüber 71 Prozent heute).
Grüner Deal bleibt vage
Angesichts der potenziellen Gefahren des Klimawandels komme ich mir manchmal recht kleinkariert und schäbig vor, die aktuelle Klimapolitik sowie die Umsetzbarkeit langfristiger klimapolitischer Ziele kritisch zu hinterfragen.
Denn natürlich verfolgt die EU ein absolut hehres Ziel: Wer würde schon was dagegen haben, dass „die EU zu einer fairen und wohlhabenden Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft werden soll, in der im Jahr 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist“? So hat es die Kommission in ihrem Grünen Deal formuliert.
Aber die Zahlen sind nun mal wie sie sind. Und ich frage mich: Was weiß die EU-Kommission, was die IEA und andere Institute nicht bedacht haben? Wenn die EU derart ambitionierte Ziele formuliert, dann sollte sie auch eine relativ konkrete Idee davon haben, mit welchen Technologien diese erreicht werden sollen und welche Eingriffe in Konsum- und Produktionsgewohnheiten sie vorsieht. Dazu macht die EU-Kommission in ihrem europäischen Green Deal und anderen Publikationen aber nur vage oder gar keine Aussagen.
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