Deutsche-Bank-Experte Eric Heymann
Was an Europas grünem Deal nicht stimmt
Aktualisiert am 05.03.2020 - 15:01 Uhr
Klimaprotest am Brandenburger Tor: Auch Politiker setzen Klimaschutz auf ihre Tagesordnung.
Mit ihrem Green Deal ruft die EU-Kommission das hehre Ziel der Klimaneutralität bis 2050 aus. Aus Sicht von Deutsche-Bank-Ökonom Eric Heymann setzt sie damit jedoch zuvorderst ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel.
Ich möchte hier beispielhaft nur einige Aspekte aus dem Grünen Deal herauspicken und kommentieren:
Wenig überraschend will die EU vor allem auf erneuerbare Energien setzen. Deren CO2-Bilanz ist zwar deutlich besser als jene von fossilen Energieträgern. Gleichwohl sind Erneuerbare nicht vollständig klimaneutral. Und der Weg zu 100 Prozent Erneuerbaren ist noch weit. Zuletzt kamen erneuerbare Energien in der EU auf einen Anteil am Bruttoendenergieverbrauch von rund 18 Prozent.
Die EU strebt eine höhere Renovierungsquote im Gebäudebestand an (aktuell 0,4 bis 1,2 Prozent pro Jahr). Abgesehen von der Frage, welche Baufirmen bis 2050 eigentlich den gesamten europäischen Gebäudebestand...
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Ich möchte hier beispielhaft nur einige Aspekte aus dem Grünen Deal herauspicken und kommentieren:
- Wenig überraschend will die EU vor allem auf erneuerbare Energien setzen. Deren CO2-Bilanz ist zwar deutlich besser als jene von fossilen Energieträgern. Gleichwohl sind Erneuerbare nicht vollständig klimaneutral. Und der Weg zu 100 Prozent Erneuerbaren ist noch weit. Zuletzt kamen erneuerbare Energien in der EU auf einen Anteil am Bruttoendenergieverbrauch von rund 18 Prozent.
- Die EU strebt eine höhere Renovierungsquote im Gebäudebestand an (aktuell 0,4 bis 1,2 Prozent pro Jahr). Abgesehen von der Frage, welche Baufirmen bis 2050 eigentlich den gesamten europäischen Gebäudebestand renovieren sollen, ist festzuhalten, dass Gebäude nach ihrer Renovierung heute in der Regel keine Nullemissionshäuser sind, sondern lediglich eine (deutlich) höhere Energieeffizienz als zuvor aufweisen.
- In ihrer Mitteilung führt die Kommission aus, dass der multimodale Verkehr kräftig angekurbelt werden muss. Das ist unehrlich. Für ein klimaneutrales Europa bräuchte es vor allem sehr viel weniger Verkehr, egal wie dieser angetrieben wird. Für weniger Verkehr zu plädieren und entsprechende einschränkende Maßnahmen einzuführen, ist politisch nicht risikolos.
- Die Kommission führt aus, den Aufbau von Ladestationen für emissionsfreie und emissionsarme Fahrzeuge zu unterstützen. Hier ist festzuhalten, dass es, unter Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette, auf absehbare Zeit keine emissionsfreien Fahrzeuge geben wird.
- Die Kommission setzt in ihrer Mitteilung auf innovative Technologien und nennt zum Beispiel die CO2-Abscheidung, seine Speicherung und Nutzung, wohl wissend, dass viele Länder (etwa Deutschland) diese Technologie faktisch bereits ausgeschlossen haben.
- Die Kommission schätzt, dass für das Erreichen der Klima- und Energieziele bis 2030 jährlich zusätzliche Investitionen in Höhe von 260 Milliarden Euro erforderlich sein werden. Diese Mittel auch tatsächlich aufzubringen, ist leichter gesagt als getan, denn sie stehen in Konkurrenz zu anderen Verwendungszwecken.
- Der grüne Deal der Kommission enthält auch europapolitische Elemente, die in manchen Mitgliedstaaten nicht auf ungeteilte Freude stoßen dürften: So will sie eigene Einnahmequellen für den Klimaschutz erschließen und hinterfragt das Einstimmigkeitsprinzip bei Steuerfragen. Letzteres steht im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung für Kerosin, die die Kommission prüfen möchte. Wenn das konkret wird, bin ich gespannt, wie das in Ländern ankommt, die hohe Einnahmen aus dem Flugtourismus erzielen.
Glaubwürdigkeit der Klimapolitik leidet
Nicht falsch verstehen: Der grüne Deal der Kommission enthält viele richtige Ideen, etwa ein grundsätzliches Plädoyer für eine umfassende Bepreisung von CO2. Das sollte unbedingt verfolgt werden. Auch in den Bereichen des lokalen Umweltschutzes und der Biodiversität setzt er wichtige Akzente.
Im Kern geht es aber um die Frage: Ist es gut für die Glaubwürdigkeit der europäischen Klimaschutzpolitik, wenn man derart ambitionierte langfristige Klimaschutzziele formuliert, zugleich aber kurz- bis mittelfristig umsetzbare Maßnahmen für einen effizienteren Klimaschutz nur unzureichend auf den Weg bekommt? Ich meine, nein.
Für Klimaneutralität bräuchte es – mit den heute verfügbaren Technologien – von allem, was unseren heutigen materiellen Wohlstand ausmacht, vor allem deutlich weniger. Das würde ökonomisch teuer und enthielte enorme politische Sprengkraft. Die demokratische Debatte über die Bereitschaft zum Verzicht hat gerade erst begonnen.
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