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Deutscher Immobilienfinanzierungsindex Brexit und Flüchtlinge dämpfen Erwartungen

Nach kurzem Zwischenhoch zum Jahresende 2015 und zum Jahresbeginn 2016 steht der Deutsche Immobilienfinanzierungsindex (DIFI) mit 8,3 Punkten wieder auf dem Niveau vom Herbst 2015, rund 20 Punkte niedriger als vor einem Jahr. Im zweiten Quartal 2016 sank der Index um 6,7 Punkte. Dieser Rückgang geht sowohl auf eine weniger positive Bewertung der Finanzierungssituation in den letzten sechs Monaten als auch auf zunehmend pessimistische Finanzierungserwartungen für das kommende Halbjahr zurück. Der Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen bezüglich der Entwicklung der Finanzierungssituation geht um 6,2 Punkte zurück, verbleibt aber mit 25,5 Punkten immer noch deutlich im positiven Bereich. Bei den Finanzierungserwartungen sinkt der Saldo im Blick auf die kommenden sechs Monate um 7,3 auf minus 9,0 Punkte.

Markus Kreuter, Leiter der Schuldnerberatung bei JLL Deutschland: „Zwar profitiert das Finanzierungsumfeld weiterhin von der anhaltend expansiven Geldpolitik der EZB. Unwägbarkeiten aufgrund der Konsequenzen aus dem Ergebnis des britischen EU-Referendums und die Entwicklung der Flüchtlingszuwanderung nach Europa dämpfen hingegen die Erwartungen auf den Märkten.“

„Die konjunkturellen Grundlagen bleiben unterdessen überraschend positiv. Schätzungen zufolge stieg das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2016 um 0,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal“, so Oliver Lerbs, am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) stellvertretender Bereichsleiter Finanzmärkte.

Logistik- und Einzelhandelsimmobilien verlieren besonders gegenüber dem Vorquartal

„Die etwas skeptischere Einschätzung der Finanzierungssituation und die eher pessimistischen Finanzierungserwartungen sind auf rückläufige Salden bei sämtlichen Nutzungsarten zurückzuführen“, so Helge Scheunemann, Forschungsleiter bei JLL Deutschland. Bei Einzelhandelsimmobilien sinkt der Saldo der aktuellen Situationseinschätzungen um 8,4 auf 13,3 Punkte, bei Logistikimmobilien sogar um 13,4 auf 21,3 Punkte. „Wie im Vorquartal ist die Mehrheit der Finanzierungsexperten bei allen vier Nutzungsarten zugleich der Meinung, dass die Finanzierungslage im letzten Halbjahr unverändert geblieben sei. Hinsichtlich der Erwartungen an die Finanzierungsbedingungen über die kommenden sechs Monate sinken die Salden ebenfalls bei allen Nutzungsarten“, so Scheunemann. Auch hier sind die Rückgänge bei Einzelhandels- und Logistikimmobilien in Größenordnungen von 13,7 auf minus 18,3 Punkte beziehungsweise von 11,1 auf minus 13,4 Punkte am stärksten ausgeprägt.

Wieder Aufhellung an den Refinanzierungsmärkten

Der in den vorherigen Quartalen beobachtete Abwärtstrend bei den Experteneinschätzungen zur Entwicklung der Refinanzierungsmärkte beginnt sich teilweise umzukehren. Die Heterogenität bei der Beurteilung der Refinanzierungsinstrumente sowie im Blick auf die konkrete Situation und damit verbundene Erwartungen ist dabei weiter groß. Das größte Erwartungsplus auf Sicht von sechs Monaten verzeichnen gegenüber dem Vorquartal Immobilienaktienmärkte: der entsprechende Saldo legt um 15,8 Punkte zu, verharrt jedoch mit minus 11,2 Punkten weiter im Negativbereich. „Diese Entwicklung spiegelt eine Korrektur der pessimistischen Erwartungen im Zuge der Aktienmarktturbulenzen zum Jahresbeginn wider“, so Kreuter.

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Und weiter: „In der Gesamtschau aus Lage- und Erwartungseinschätzung werden Pfandbriefe und Mortgage Backed Securities unter den Refinanzierungsmöglichkeiten derzeit am positivsten bewertet, während Einlagen und unbesicherte Schuldverschreibungen am Ende der Skala liegen. Infolge der EZB-Niedrigzinspolitik und der daraus resultierenden negativen Einlagenverzinsung bleibt eine einlagenbasierte Refinanzierung wenig attraktiv.“ Die aktuelle Lageeinschätzung steigt per Saldo bei Einlagen um 10,5 Punkte auf minus 6,4 Punkte und bei Pfandbriefen um 22,2 Punkte auf 12,0 Punkte, wohingegen die Salden der anderen Refinanzierungsinstrumente um 0,5 bis 3,1 Prozentpunkte sinken. Bezüglich der Erwartungseinschätzung geht der Saldo bei Einlagen um 10,1 Punkte auf minus 19,0 Punkte zurück; bei Pfandbriefen legt er hingegen um 6,7 Punkte auf minus 2,2 Punkte zu.

Aktuelle Margen und LTVs in der gewerblichen Immobilienfinanzierung

Um ein kontinuierliches Bild zu zeichnen, wurden die Finanzierungsexperten wie in den beiden Vorjahren bei der Umfrage im zweiten Quartal 2016 nach ihren Einschätzungen zu markttypischen Margen und Loan-to-Value Ratios (LTV, Fremdfinanzierungsanteile bezogen auf Marktwerte) für Objektfinanzierungen in den Risikoklassen „Core“ und „Value-Add“ befragt.* Die Teilnehmer konnten dazu aus vorgegebenen Bandbreiten die aus ihrer Sicht wahrscheinlichsten auswählen. Bei Finanzierungen von Büro-, Einzelhandels- und Logistikimmobilien im Core-Segment werden markttypische Margen derzeit im Durchschnitt zwischen 110 und 150 Basispunkten (bps) gesehen. Bei den Wohnimmobilien wird die marktübliche Marge mit durchschnittlich knapp 90 bps nach wie vor am geringsten eingeschätzt. Im Vergleich zum Vorjahr fallen somit die Einschätzungen bezüglich der durchschnittlichen Margen in sämtlichen Nutzungsarten höher aus, gleichzeitig niedriger als 2014. Für Value-Add liegen die erzielbaren Margen für Büro-, Einzelhandels- und Logistikimmobilien aktuell durchschnittlich bei 170 bis 210 bps, die für Wohnimmobilien bei rund 130 bps und damit jeweils um ungefähr 50 bps über Core. „Der längerfristige Trend hohen Margendrucks bei Core-Risiken scheint somit nach einer kurzen Abschwächung fortzubestehen. Dies unterstreicht zum einen den Trend der grundsätzlich pessimistischeren Aussichten. Zum anderen erwarten die Befragten bei gegebenen höheren Risiken eine zusätzliche Risikoprämie in der Marge. Dies kann im Zusammenhang mit den aktuellen regulatorischen Diskussionen gesehen werden, wonach sich Risikogewichte im Kreditstandardansatz im höheren Beleihungsauslauf verdoppeln sollen“, so Kreuter.

Bei der Einschätzung markttypischer LTVs zeichnet sich im Vergleich zu 2015 ab, dass die LTVs bei Core-Finanzierungen eher rückläufig sind, während sie bei Value-Add-Finanzierungen etwa konstant blieben. Die einzige Ausnahme bilden Logistikimmobilien: hier haben die Anteile derjenigen, die LTVs von 70 Prozent oder höher als marktüblich ansehen, gegenüber 2015 im Core-Segment um 12 Punkte und im Value-Add-Segment um 16 Punkte zugenommen.

* Als „Core“ wurden dabei risikoarme Objekte mit sehr gutem Standort und Vermietungsstand (>90 Prozent) sowie langen Mietvertragslaufzeiten (>5 Jahre) definiert. Als „Value-Add“ wurden risikoreichere Objekte (zum Beispiel B-Standort, Vermietungsstand >75 Prozent, moderater Investitionsbedarf, durchschnittliche Mietvertragslaufzeit 3 Jahre) zusammengefasst.


Über den Deutschen Immobilienfinanzierungsindex

An der Umfrage des Deutschen Immobilienfinanzierungsindex vom 10.05.2016 bis 30.05.2016 beteiligten sich 51 Experten. Abgefragt wurden die Einschätzungen zur Marktsituation (vergangene sechs Monate) und zur Markterwartung (kommende sechs Monate). Dargestellt sind die prozentualen Anteile der Antwortkategorien sowie die Veränderungen in Prozentpunkten gegenüber dem Vorquartal. Die Salden ergeben sich aus der Differenz der positiven und negativen Antwortkategorien (wie zum Beispiel „verbessert“ und „verschlechtert“). Der DIFI berechnet sich als ungewichtetes Mittel aus den Salden der Finanzierungssituation sowie der Finanzierungserwartung aller Nutzungsarten.

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