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Deutschland: Kein Lehman 2.0

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Wie wahrscheinlich ist es jetzt, dass sich eine solche Entwicklung wiederholt und es zu einem erneuten systemischen Schock für die deutsche Wirtschaft (Lehman 2.0) kommt? Klar ist: Die Auftragsbestände sind in den vergangenen drei Monaten bereits kräftig gefallen (vgl. Grafik). Der Saldo aus Erhöhung und Ver -ringerung der Auftrags-bestände in der Ifo- Umfrage (jeweils in Prozent) ist um insgesamt rund 10 Punkte zurück gegangen. Nach unserer Einschätzung dürfte hierfür aber vor allem die "geordnete" Abarbeitung von Auftragsbeständen verantwortlich gewesen sein, die in eine höhere Produktion mündete. Für diese Sichtweise spricht die Entwicklung in den vier bedeutendsten Sektoren der deutschen Industrie. Wie der Vergleich mit der Zeitphase nach Lehman zeigt, sind die Auftragsbestände im Maschinenbau und der Elektroindustrie zumindest bislang nur geringfügig gefallen (vgl. Grafik). Sprunghafte Veränderungen, die auf eine Stornierungswelle hindeuten könnten, gab es bis einschließlich September nicht. Nach dem Kollaps von Lehman war dies anders. Im Maschinenbau etwa fiel der Saldo von August 2008 bis zu seinem Tiefpunkt um mehr als 95 Punkte. Aktuell sind es seit Erreichen des Hochpunkts lediglich fünf Punkte.

Im Automobil- und Chemiebereich waren die jüngsten Rückgänge hingegen stärker ausgeprägt. Hier könnten Stornierungen eine etwas größere Rolle gespielt haben. Insbesondere der Autosektor musste jetzt im September einen Rückschlag verkraften. Der Saldo der Auftragsbestände sank hier innerhalb von vier Wochen von +32 auf +12 und damit auf den niedrigsten Stand seit Jahresbeginn 2011.

Fazit: Trotz Risiken kein Lehman 2.0


Die gute Nachricht zuerst: Die jüngsten Umfragewerte zeigen, dass es für die deutschen Unternehmen bislang keinen systemischen Unsicherheitsschock à la Lehman gegeben hat. Allerdings dürften die anhaltenden Marktturbulenzen zu einem weiteren Anstieg der Risikoaversion von deutschen und ausländischen Unternehmen führen. Wir halten deshalb neben dem "geordneten" Abarbeiten bereits erhaltener Aufträge ein Ansteigen der Stornierungen in den nächsten Monaten für unvermeidbar. Nach unserer Einschätzung sollten sie allerdings nicht das Ausmaß der Jahre 2008/2009 erreichen.

Bei dieser Einschätzung handelt es sich zu einem guten Teil um eine Glaubensfrage. Niemand kann im Augenblick vorhersehen, wie lange die Finanzmarktturbulenzen anhalten und in welchem Umfang genau die Unternehmen weltweit darauf reagieren. Wir werden deshalb in den nächsten Monaten die Entwicklung der Auftragsbestände als Gradmesser für konjunkturelle Abwärtsrisiken regelmäßig analysieren.

Wir halten an unserem Basisszenario fest: Nach einer kurzfristigen wirtschaftlichen Belebung im dritten Quartal (der Rückgang in Q2 fiel aus fundamentaler Sicht zu kräftig aus) steht die deutsche Wirtschaft vor einer sehr starken wirtschaftlichen Verlangsamung. Die Frühindikatoren haben ihren Boden noch nicht gefunden und werden weiter fallen. Eine Rezession halten wir unverändert nur für ein Risikoszenario. Nach einem Wachstum von 3 Prozent in diesem Jahr dürfte es nur noch 1¼ Prozent 2012 sein.

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