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in Politik & GesellschaftLesedauer: 6 Minuten

Robert Halver zu EU-Konjunktur-Hilfen Deutschland muss dagegenhalten

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Es mag nicht jedem schmecken, doch erst die „Schöpferische Zerstörung“ - wie es Ökonom Joseph Schumpeter nannte - schafft neue überlebens- und wettbewerbsfähiger Strukturen. Wie sonst lassen sich Fortschritt, Wohlstand und Arbeitsplätze sichern? Das Kaputt-Subventionieren von Kohle und Stahl in den Montan-Bundesländern hat letztendlich nicht zu mehr Wohlstand im Vergleich zu den süddeutschen Bundesländern geführt, die beherzt auf Zukunft gesetzt haben.

Wenn man diesen Überlebenskampf ignoriert, ist das Einzige, was Zukunft hat, ein zäher Staatsapparat, der Bürgern und Unternehmen das Leben schwermacht. Der Mittelstand wird dezimiert, größere Firmen wandern ab und nehmen ihr Know-How und Arbeitsplätze gleich mit. Ebenfalls suchen leistungs- und risikobereite Bürger, die ihre Ambitionen in Europa nicht erfüllen können, das Weite. Die Zurückgebliebenen resignieren, flüchten sich in ihren eigenen Mikrokosmos und lehnen den Staat schließlich als immer weniger funktionsfähig ab. Das beschreibt ziemlich genau die Lage in Italien. Will es Gesamt-Europa es wirklich so weit kommen lassen?

Solch eine Schlafwagen-Politik kann man sich in einer wettbewerbsstarken Welt nicht erlauben. So will China nicht mehr bloß billige Werkbank der Welt sein. Es will Hocheinkommens-, Wohlstandsland werden. Und es ist hungrig, mutig, innovativ und wettbewerbsfähig, um sich die weltweiten Fleischtöpfe zu sichern.

China nutzt die Corona-Krise als Chance: Bis 2025 will das Land in zehn technologischen Schlüsselindustrien weltweit führend sein. Und die USA werden verhindern, dass Export-Europa einen free lunch erhält, d.h. Trittbrettfahrer des US-Wirtschaftswachstums wird. Bei der Erneuerung der Infrastruktur setzt Joe Biden strikt auf amerikanische Unternehmen. 

Die Zeit spielt für Frankreich und Italien, doch könnte Deutschland die Uhr anhalten

Eigentlich müsste Europa wissen, was die Stunde geschlagen hat. Doch scheint es ziemlich beratungsresistent zu sein. Man vertraut weiter auf den romanischen Müßiggang, das Schulden-Dolce Vita und das Susi Sorglos-Paket der EZB. Und je mehr man sich an den bequemen Status Quo gewöhnt hat, umso unwahrscheinlicher ist es, dass man ihn wieder verändert. In der Tat werden die südeuropäischen Spürhunde nicht lockerlassen. Sie werden schnell die nächste Krise wittern. Krise ist doch irgendwie immer. 

Jetzt muss Deutschland einschreiten. Kein Land der EU steht mehr in der Verantwortung, die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion stabil und fit zu halten. Zwar beharrt Berlin darauf, dass Lockerungen von Stabilitäts- und Schuldenregeln nur einmalige Notfallmaßnahmen sind.

Aber ist das glaubwürdig? Berlin hat den Stabilitäts-Rubikon schon mehrere Male ohne Rückkehr überschritten. So wollte man Griechenland zunächst nicht helfen, hat dann aber den europäischen Rettungsschirm installiert. Gemeinsame europäische Schulden wurden früher als Todsünde gebrandmarkt. Jetzt haben wir sie. Und schon wieder wird behauptet, sie seien einmalig. Wer es glaubt, wird selig.

Der oder die nächste Bundeskanzler(in) muss Politik wieder offensiv, nicht nur defensiv betreiben. Wir müssen aus der Gefälligkeitsökonomie heraus. Wirtschaftskompetenz muss aus der politischen Schmuddelecke heraus. Es müssen wieder Entscheidungen getroffen werden, die man auch bei Auseinandersetzungen und Shitstorms durchhält.

Bei Zahnschmerzen hilft ja auch keine Schokolade, um kurzfristige Aufhellungseffekte zu erzielen, die die Situation später noch verschärfen. Nur wenn man Karies und Parodontose konsequent behandelt bzw. nicht mehr zu rettende Zähne zieht, lässt der Schmerz nachhaltig nach und man kann zukünftig wieder wirtschaftlich kraftvoll zubeißen.

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