Merger-Experte Kai Lucks
Deutschland schlittert ins Energie-Dilemma
Aktualisiert am 14.01.2022 - 09:57 Uhr
Kai Lucks ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions. Foto: Bundesverband Mergers & Acquisitions
Raus aus der Atomenergie, rein in den Ökostrom: Deutschland steht am Energiemarkt vor gewaltigen Herausforderungen. Kai Lucks vom Bundesverband Mergers & Acquisitions erklärt, welche Probleme zu bewältigen sind.
Dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 entsprechend hat sich Deutschland verpflichtet, bis 2050 treibhausgasneutral zu werden. Seitdem ringen wir um die Beschleunigung des Ausstiegs. Der Club of Rome hatte bereits 1972 vor den Grenzen des Wachstums gewarnt und dabei auf die Umweltprobleme verwiesen. Die deutsche Nuklearindustrie betrieb seit den 80er Jahren den Rückzug aus der Atomenergie. 2011 beschloss die Bundesregierung den Ausstieg aus der Kernkraft. 2022 werden die letzten Reaktoren vom Netz genommen.
Angesichts der Dramatik des Klimawandels sind Forderungen nach CO2-freier Energiewirtschaft moralisch voll gerechtfertigt – also Total-Ausstieg aus Kohle, Öl und Erdgas.
Ein...
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Dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 entsprechend hat sich Deutschland verpflichtet, bis 2050 treibhausgasneutral zu werden. Seitdem ringen wir um die Beschleunigung des Ausstiegs. Der Club of Rome hatte bereits 1972 vor den Grenzen des Wachstums gewarnt und dabei auf die Umweltprobleme verwiesen. Die deutsche Nuklearindustrie betrieb seit den 80er Jahren den Rückzug aus der Atomenergie. 2011 beschloss die Bundesregierung den Ausstieg aus der Kernkraft. 2022 werden die letzten Reaktoren vom Netz genommen.
Angesichts der Dramatik des Klimawandels sind Forderungen nach CO2-freier Energiewirtschaft moralisch voll gerechtfertigt – also Total-Ausstieg aus Kohle, Öl und Erdgas.
Ein Wiedereinstieg in großtechnische Kernenergie ist industriell nicht machbar: Die Lücke im Kernenergie-Weltmarkt, die Siemens-KWU gelassen hat, wurde inzwischen durch Russland, China, USA, Frankreich geschlossen. Ein Wiedereinstieg aus der „Position Null“ heraus würde uns an die 20 Jahre und mehrere zig Milliarden Euro kosten, bis wir wieder eine wettbewerblich stabile Marktposition erreicht hätten. Die „Anti-Atomkraft-Bewegung“ würde wiedererweckt. Es findet sich außerdem kein Konzern in Deutschland, der das Risiko eines großtechnischen Wiedereinstiegs trüge.
Die angesagte totale Energiewende wird von Wünschen, Ideen und Träumen getragen, nach dem Motto „wir schaffen das (schon irgendwie)“. Gefüttert wird diese Vorstellung damit, dass die Top-down gesetzten Ziele erreicht werden können: mit einer Vervielfachung von Windkraftanlagen, die 2 Prozent unserer Landesfläche benötigen, mit Ausbau von Fotovoltaik, Nutzung von Erdwärme, mit tausenden von Kilometern an neuen Hochspannungs-Stromtrassen, eine Beschleunigung ihres Ausbaus und einiges mehr.
Deutschland hat sich durch radikale Beschlüsse in eine fast ausweglose Lage zur Energieversorgung manövriert. Denn unsere Strukturen leisten das gar nicht. Und unsere Verfassung erlaubt das auch nicht. Das Planungs- und Baurecht gibt das gar nicht her. Uns fehlen die personellen Kapazitäten zur Planung und Genehmigung. Uns fehlen die industriellen Kapazitäten beim Maschinen- und Anlagenbau. Ganz zu schweigen von der bereits jetzt völlig überlasteten Bauindustrie. Die internationalen Lieferketten sind brüchig. Uns fehlen Rohstoffe und Materialien in einer Zeit, in der die Nachfrage aus den Schwellenländern so groß ist, dass die Preise explodieren.
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