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Merger-Experte Felix Engelhardt
Warum der Mittlere Osten den deutschen Markt für sich entdeckt

Felix Engelhardt ist Gründer und CEO des Beratungsunternehmens Zumera. Foto: Zumera / Canva
Noch zählen die USA und Europa zu den größten Investoren in deutsche Firmen. Doch zunehmend entdecken auch Dubai und Saudi-Arabien die hiesigen Unternehmen für sich. Was Deutschland für den Mittleren Osten so reizvoll macht und welche Chancen sich für die Betriebe hierzulande ergeben, erläutert Felix Engelhardt in seinem Beitrag.
Inflation, Konjunkturflaute, hohe Energiepreise und gestiegene Finanzierungskosten belasteten zuletzt das Geschäftsklima stark. Die Folge: Unternehmen in Deutschland investierten deutlich weniger im eigenen Land. Doch die schlechten Rahmenbedingungen schreckten nicht alle ab: Die ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland stiegen im letzten Jahr auf rund 34,8 Milliarden Euro – ein Plus von 37,5 Prozent gegenüber 2022, wie Zahlen der Germany Trade & Invest (GTAI) belegen.
Zu den größten Investoren zählten die USA, die Schweiz und China. Doch abseits der großen Player gibt es zwei Länder, die deutsche Unternehmen immer stärker für sich entdecken: Die Vereinigten Arabische Emirate und Saudi-Arabien.
Stabile politische und rechtliche Rahmenbedingungen
Angesichts aktueller wirtschaftlicher Herausforderungen und der Tatsache, dass Wirtschaftsexperten den Standort Deutschland im europäischen Vergleich nur im Mittelfeld sehen, mag dieser Boom zunächst überraschen. Diese Entwicklung ist nicht nur ein Zeichen für die wachsende wirtschaftliche Stärke dieser Region, sondern verdeutlicht auch das bedeutende Potenzial für die deutsche Wirtschaft.
Ein wesentlicher Treiber für den Boom der ausländischen Direktinvestitionen aus dem Mittleren Osten ist das Bestreben der Investoren, ihre Portfolios geopolitisch zu diversifizieren. Dabei suchen sie insbesondere nach sicheren Märkten, um ihre Kapitalanlagen zu streuen. Deutschland, mit seinen stabilen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, bietet hierfür ideale Voraussetzungen.
Darüber hinaus sind deutsche Unternehmen weltweit für ihre technologische Expertise und Innovationskraft bekannt. Diese Eigenschaften machen sie zu attraktiven Partnern für Investoren aus dem Mittleren Osten, die gezielt nach technologischen Fortschritten und innovativen Lösungen suchen.
Zu den weiteren Pluspunkt zählen das deutsche Bildungssystem und die hohe Qualifikation der Arbeitskräfte. Die zentrale Lage mitten in Europa und die Mitgliedschaft in der EU ermöglichen Investoren zudem den Zugang zu einem großen Markt.
Besonders attraktiv: erneuerbare Energien und andere grüne Technologien
Das wachsende Interesse aus VAE und Saudi-Arabien bringt den deutschen Unternehmen einige Chancen. Einerseits können die Investitionen aus dem Mittleren Osten die finanzielle Basis der hiesigen Unternehmen für Expansion und Innovation stärken. Und andererseits schaffen diese Partnerschaften neue Absatzmärkte und Kooperationsmöglichkeiten.
Besonders attraktiv sind Branchen wie erneuerbare Energien und andere grüne Technologien, denn die globale Energiewende bietet große Absatzmöglichkeiten. Gleichzeitig bringen die Investoren meist ein hohes Maß an Know-how mit, da sie die globalen Energiemärkte teils dominieren. Aber auch die steigende Bedeutung von Gesundheit und Technologie zieht Investoren an. Hier kann Deutschland nach wie vor mit dem exzellenten Ruf seiner Ingenieurskunst mit spannenden Investitionszielen aufwarten.
Die langfristigen Auswirkungen des Engagements aus dem Mittleren Osten sind vielversprechend. Ihre Investitionen fördern hierzulande technologische Fortschritte und stärken die Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig schaffen sie neue Arbeitsplätze und tragen zum Wirtschaftswachstum bei.
Handels- und Investitionsbeziehungen werden intensiver
Die zukünftige Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und dem Mittleren Osten zeigt ein klares Bild: Wir werden eine Intensivierung der bilateralen Handels- und Investitionsbeziehungen sehen. Gemeinsam Forschungs- und Entwicklungsprojekte werden diese Partnerschaft vertiefen.
Dabei spielen auch globale Trends und Entwicklungen eine Rolle. Veränderungen im globalen Energiemarkt, technologische Innovationen, geopolitische Verschiebungen und regionale Konflikte, aber auch wirtschaftliche Entwicklungen und Handelsabkommen werden die Investitionstätigkeit zusätzlich beeinflussen.
Mentalitätswandel ist notwendig
Doch trotz der zahlreichen Vorteile gibt es einige Stolpersteine. Manche Betriebe in Deutschland reagieren skeptisch auf das wachsende Interesse aus dem Mittleren Osten. Gerade kulturelle Unterschiede und Missverständnisse können große Hürden darstellen. Aber auch Sicherheitsbedenken und politische Unsicherheiten sind Faktoren, die die Euphorie über das Interesse aus dem Mittleren Osten eher dämpfen.
Um dem zu begegnen, braucht es einen Mentalitätswandel. Unternehmenslenker sollten sich für kulturelle Unterschiede öffnen und ihre Geschäftsstrategien anpassen. Der Einsatz von Beratern und Experten kann den Markteinstieg und die Expansion erleichtern.
Damit Deutschland für Investoren aus dem Mittleren Osten noch attraktiver wird, braucht es allerdings nicht nur ein Umdenken in den Unternehmen. Auch auf politischer Ebene besteht Handlungsbedarf: Die Politik sollte die Investitionsbedingungen verbessern und bürokratische Hürden abbauen. Ebenfalls entscheidend ist, dass wir die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien weiter ausbauen.
Die wachsenden ausländischen Direktinvestitionen aus dem Mittleren Osten sind also zweifellos eine große Chance für die deutsche Wirtschaft. Die Vorteile sind vielfältig. Doch um diese Potenziale voll auszuschöpfen, braucht es bei uns nicht nur ein Umdenken, sondern auch ein Umsteuern.