Volkswirt Axel Angermann
Warum der Strukturwandel in Deutschland nicht allein Aufgabe der Politik ist

Volkswirt Axel Angermann
Die Datenlage zur deutschen Wirtschaft ist anhaltend katastrophal, die Aussichten für das Jahr 2024 düster, und inzwischen sollte selbst dem Letzten klar sein: Deutschland steckt keinesfalls nur in einer konjunkturellen Flaute, sondern in einer veritablen Strukturkrise. Dies zeigt sich deutlich in den Perspektiven für die wichtigsten Wirtschaftszweige.
Die Industrie ...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die Datenlage zur deutschen Wirtschaft ist anhaltend katastrophal, die Aussichten für das Jahr 2024 düster, und inzwischen sollte selbst dem Letzten klar sein: Deutschland steckt keinesfalls nur in einer konjunkturellen Flaute, sondern in einer veritablen Strukturkrise. Dies zeigt sich deutlich in den Perspektiven für die wichtigsten Wirtschaftszweige.
Die Industrie befindet sich bereits seit 2018 in einem Abwärtstrend. Die Produktionszahlen liegen aktuell noch immer um rund 6 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2019. Auch 2024 dürfte die Produktion nach unserer Prognose wieder um etwa 4 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres liegen.
Die Chemieproduktion, die in den vergangenen zwei Jahren besonders unter den hohen Energiepreisen litt, könnte sich auf niedrigem Niveau stabilisieren. Dass die Branche das Produktionsniveau von 2021 wieder erreichen kann, ist bis auf weiteres nicht absehbar.
Deutlichem Gegenwind sieht sich die Autoindustrie ausgesetzt: Der Wegfall staatlicher Förderungsmaßnahmen für den Kauf von Elektrofahrzeugen dämpft die inländische Nachfrage. In China ist der Konsum schwach und die Konkurrenz hart, und nun gewinnen chinesische Hersteller auch zunehmend Marktanteile in Deutschland. Die Produktion der Automobilindustrie dürfte im Jahr 2024 um mindestens 3 Prozent geringer ausfallen als im Jahr 2023.
Negativ sind auch die Aussichten für den Maschinenbau, der unter der allgemeinen Investitionsschwäche leidet.
Die Aussichten für das Baugewerbe bleiben schlecht: Das ursprüngliche Versprechen der Ampel-Regierung, pro Jahr 400.000 neue Wohneinheiten zu schaffen, liegt in weiter Ferne. Tatsächlich ist die Bauproduktion in den beiden zurückliegenden Jahren jeweils um 4 beziehungsweise 3,5 Prozent geschrumpft, und ein Ende der Talfahrt ist noch nicht in Sicht.
Abhilfe könnten hier die Vereinfachung von Bauvorschriften, eine umfassende Entbürokratisierung und die massive Förderung seriellen Bauens schaffen. Dass das Minus im Baugewerbe insgesamt nicht noch höher ausfällt, liegt unter anderem an der positiven Entwicklung des Tiefbaus. Die langfristigen Perspektiven hängen hier allerdings wesentlich von der zuverlässigen Finanzierung der Straßen- und Schienenbauprojekte ab.
Mit sinkenden Inflationsraten verbindet sich die Erwartung eines moderaten Zuwachses des privaten Konsums im Jahr 2024. Vor diesem Hintergrund sollte sich der Umsatz des Einzelhandels nach dem deutlichen Minus im Jahr 2023 zumindest stabilisieren.
Obwohl die Tourismusbranche im Jahr 2023 ein preisbereinigtes Umsatzplus von 14 Prozent erzielen konnte, liegen die Umsätze noch immer um mehr als 10 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2019. Weitere Aufholeffekte sind also möglich, auch wenn sich die Dynamik des Wachstums spürbar abschwächen sollte.
Mit Umsatzrückgängen ist dagegen im Gastgewerbe zu rechnen, weil der Wegfall der Mehrwertsteuerbegünstigung zu höheren Preisen und sinkender Nachfrage führen wird.
Einen Lichtblick bietet die positive Umsatzentwicklung im IT-Sektor und den damit verbundenen Branchen: Der Umsatz mit Dienstleistungen der Informationstechnologie ist inzwischen um ein Drittel höher als vor der Pandemie, für die Datenverarbeitung und Webportale beträgt das Plus 19 Prozent.
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