Volkswirt Ulrich Kater
Vor diesen Herausforderungen stehen mittelständische Unternehmen

Volkswirt Ulrich Kater
Alles nicht mehr so schlimm? Folgt man den aktuellen Datenspuren, die deutsche Unternehmen gegenwärtig hinterlassen, so wird eines deutlich: Es wird wohl doch nicht ganz so schlimm mit der Winterrezession. Denn die Lageeinschätzung in den gängigen Stimmungsumfragen hält sich erstaunlich gut. Die jüngsten Produktionszahlen für den Oktober – wenn sie nicht noch revidiert werden – deuten auf alles...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Alles nicht mehr so schlimm? Folgt man den aktuellen Datenspuren, die deutsche Unternehmen gegenwärtig hinterlassen, so wird eines deutlich: Es wird wohl doch nicht ganz so schlimm mit der Winterrezession. Denn die Lageeinschätzung in den gängigen Stimmungsumfragen hält sich erstaunlich gut. Die jüngsten Produktionszahlen für den Oktober – wenn sie nicht noch revidiert werden – deuten auf alles andere als einen Absturz der deutschen Konjunktur hin. Wenn die November-Daten sich nicht massiv verschlechtern, werden die Konjunkturprognosen für Deutschland nach oben revidiert – und zwar unabhängig von der Tiefe der gegenwärtigen Schwächephase und der Herausforderungen bei der Erdgasversorgung.
Es ist nicht vermessen anzunehmen, dass sich die akute Energiekrise in absehbarer Zeit – also bereits im kommenden Jahr – legen wird. Die dann beginnende neue Normalität hält jedoch für die Weltwirtschaft, und ganz besonders für die deutsche Volkswirtschaft, genügend Herausforderungen bereit.
Hier geben die Ergebnisse der quartalsweise stattfindenden Sparkassenumfrage weitere Aufschlüsse. In der Befragung, aus der sich der Deka-S-Finanzklimaindex berechnet und herleiten lässt, bündelt die Expertise der größten deutschen Finanzgruppe. Sie lässt insofern weitere Aufschlüsse über aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen zu. Die aktuellen Ergebnisse veranlassen dazu, zwischen den akuten Krisenthemen und den längerfristigen negativen Entwicklungen, die sich für den Wirtschaftsstandort Deutschland ergeben, zu unterscheiden – so beispielsweise bei der Einschätzung, was die größten Hemmnisse für mittelständische Unternehmen in Deutschland sind.
Es steht eben nicht die Energieversorgung an ersten Stelle, sondern vielmehr der Fachkräftemangel. Aber auch die ineffektive Verwaltung und überbordende Vorschriften stehen auf der Mängelliste ganz oben. In einem Umfeld wie es die Unternehmen hierzulande erleben, schlagen sich die Firmen jedoch noch hervorragend. Diese Standfestigkeit speist sich insbesondere aus einer guten Substanz, etwa bei Personal, Innovationsfähigkeit oder auch Kapitalausstattung. Aber die drei großen strategischen Pfade bestehend aus Demografie, Dekarbonisierung und Deglobalisierung fügen sich zu einem Dreieck, das die ökonomischen Möglichkeiten nicht nur der deutschen Volkswirtschaft immer weiter einschränkt.
Schon jetzt hat sich das Potenzialwachstum der deutschen Wirtschaft auf dreiviertel Prozent im Jahr fast halbiert. Es steht wieder einmal ein Strukturwandel an, in dem besonders Arbeitsplätze in der Industrie gefährdet sind. Dabei sollten gerade diese erhalten werden. Zum einen, weil sie produktiv und damit gut bezahlt sind. Zum anderen, weil sie die Basis für viele Dienstleistungen bieten, die mittlerweile auch von eigentlich klassischen Industrieunternehmen in großem Umfang angeboten werden. Zwar sollte es auch der deutschen Wirtschaft gegenwärtig nicht schwerfallen, neue Jobs für den Wegfall in der Industriearbeit zu schaffen. Diese würden aller Wahrscheinlichkeit nach jedoch im Durchschnitt geringer entlohnt werden und damit eine Einkommensspaltung im Land vorantreiben.
Die Herausforderungen hat auch von die Politik erkannt. Ihr Lösungstempo ist jedoch zu langsam. Die Klimadebatte wird am lautesten geführt, aber auch hier werden weiterhin Illusionen gehegt, was die Kosten eines derart radikalen Umbaus angeht. Bei Einwanderung oder Bildung sind die Debatten schon deutlich leiser, obwohl die Dringlichkeit ebenfalls hoch ist. Eine Grundsatzdiskussion darüber, wie viele Wirtschaftsregulierungen wir eigentlich brauchen und ab wann Partikularinteressen dem Gemeinwohl schaden, fehlt vollkommen. Jetzt kommen auch noch die globalen Abschottungswirkungen, etwa eines Inflation Reduction Act hinzu. Gewendete Zeiten verlangen innovative und lösungsorientierte Ansätze nicht nur in den Unternehmen, sondern auch in der Wirtschaftspolitik. Deutschland steckt mal wieder im Reformstau fest.
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