Chefvolkswirt Carsten Klude
Deutschlands Wirtschaft droht der Abstieg
Carsten Klude ist Chefvolkswirt bei M.M.Warburg. Foto: M.M.Warburg
Deutschland ist nach den USA, China und Japan die größte Wirtschaftsnation der Welt. Von der Corona-Krise erholt sich das Land jedoch langsamer als andere. Ein Gastbeitrag von Carsten Klude, Chefvolkswirt von M.M.Warburg.
Auf die Rangliste der wichtigsten und größten Wirtschaftsnationen, liegt Deutschland seit vielen Jahren stabil auf Platz vier, hinter den USA, China und Japan. In der Eurozone gibt Deutschland bezogen auf die wirtschaftliche Dominanz klar den Ton an: Am realen Bruttoinlandsprodukt der 19 Euro-Länder haben wir einen Anteil von fast 30 Prozent. Wirtschaftlich und politisch geht somit kein Weg an uns vorbei. Oder?
Bei genauem Hinschauen erkennt man allerdings einige Kratzer am schönen Lack. Während die deutsche Wirtschaft im Pandemie-Jahr 2020 besser als viele andere durch die wirtschaftliche Krise gekommen ist, hat sich 2021 Ernüchterung eingestellt. Dabei herrschte zu Beginn des Jahres noch viel Optimismus: Rund 4 Prozent Wachstum schienen möglich, und die vollständige Aufholung des durch die Corona-Krise verursachten Konjunktureinbruchs im dritten oder spätestens im vierten Quartal wurde für wahrscheinlich erachtet. Deutschland sollte 2021 erneut zur Konjunkturlokomotive des Euroraums werden.
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Auf die Rangliste der wichtigsten und größten Wirtschaftsnationen, liegt Deutschland seit vielen Jahren stabil auf Platz vier, hinter den USA, China und Japan. In der Eurozone gibt Deutschland bezogen auf die wirtschaftliche Dominanz klar den Ton an: Am realen Bruttoinlandsprodukt der 19 Euro-Länder haben wir einen Anteil von fast 30 Prozent. Wirtschaftlich und politisch geht somit kein Weg an uns vorbei. Oder?
Bei genauem Hinschauen erkennt man allerdings einige Kratzer am schönen Lack. Während die deutsche Wirtschaft im Pandemie-Jahr 2020 besser als viele andere durch die wirtschaftliche Krise gekommen ist, hat sich 2021 Ernüchterung eingestellt. Dabei herrschte zu Beginn des Jahres noch viel Optimismus: Rund 4 Prozent Wachstum schienen möglich, und die vollständige Aufholung des durch die Corona-Krise verursachten Konjunktureinbruchs im dritten oder spätestens im vierten Quartal wurde für wahrscheinlich erachtet. Deutschland sollte 2021 erneut zur Konjunkturlokomotive des Euroraums werden.
Aber es kam anders. Der zweite Corona-Lockdown, der von Dezember 2020 bis ins Frühjahr 2021 zu neuen wirtschaftlichen Beschränkungen führte, traf Deutschland mit voller Wucht und stärker als andere Länder. Während das reale BIP in Deutschland im ersten Quartal 2021 um 1,9 Prozent gegenüber dem Vorquartal zurückging, kam es in der gesamten Eurozone nur zu einem kleinen Minus von 0,3 Prozent. Und auch bei den durch Auf- und Nachholeffekte geprägten Folgequartalen schnitt die deutsche Wirtschaft schlechter ab als der Durchschnitt der Eurozone (Q2: 1,9 versus 2,1 Prozent, Q3: 1,8 versus 2,2 Prozent). Statt Wachstumsmotor ist Deutschland Wachstumshemmschuh der Eurozone.
Warum tut sich die deutsche Wirtschaft schwerer als andere damit, sich von der Wirtschaftskrise des letzten Jahres zu erholen? Die Antwort scheint auf der Hand zu liegen: Lieferkettenprobleme und fehlende Vorleistungsgüter machen Deutschland mit seiner starken industriellen Basis überdurchschnittlich stark zu schaffen. Sobald diese Probleme in den Hintergrund treten, so die gängige Erwartung, wird die deutsche Wirtschaft an ihre alten Tugenden und Stärken anknüpfen. Schließlich ist der Auftragsbestand, über den deutsche Unternehmen verfügen, so hoch wie niemals zuvor. Platzt der Knoten bei den Lieferketten, sollte ein starker Nachholeffekt bei der Industrieproduktion einsetzen.
Dies ist der Grund dafür, dass wir Deutschland im nächsten Jahr mit gut 4 Prozent ein etwas stärkeres Wachstum zutrauen als dem Durchschnitt der Eurozone oder auch den USA. Also Ende gut, alles gut? Leider nein. Denn wenn man sich die Entwicklung der wichtigsten makroökonomischen Indikatoren über einen längeren Zeitraum anschaut, kommt man zu dem Ergebnis, dass sich die deutsche Wirtschaft schon seit einiger Zeit auf einem eher absteigenden Ast befindet.
So haben wir uns einmal angeschaut, wie sich in den vergangenen Jahren die reale Wirtschaftsleistung in den Ländern der Eurozone mit und ohne Deutschland entwickelt hat. Unser Datensatz reicht bis in das Jahr 1996 zurück, und es zeigt sich, dass die Wirtschaft in den heutigen 18 Ländern der Eurozone ohne Berücksichtigung Deutschlands bis zum Jahr 2005 jedes Jahr stärker gewachsen ist als es unter Einbeziehung Deutschlands der Fall war.
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