Chefvolkswirt Carsten Klude
Deutschlands Wirtschaft droht der Abstieg
Carsten Klude ist Chefvolkswirt bei M.M.Warburg. Foto: M.M.Warburg
Deutschland ist nach den USA, China und Japan die größte Wirtschaftsnation der Welt. Von der Corona-Krise erholt sich das Land jedoch langsamer als andere. Ein Gastbeitrag von Carsten Klude, Chefvolkswirt von M.M.Warburg.
Sobald sich die Situation bei den Halbleitern verbessert, dürfte sich die deutsche Autoproduktion deutlich erholen und damit der Industrieproduktion sowie der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einen Schub geben. Darauf deutet der rekordhohe Auftragsbestand hin, der mittlerweile eine Reichweite von fünfeinhalb Monaten aufweist.
Dennoch ist zu befürchten, dass die deutsche Autoindustrie nicht nachhaltig zur alten Stärke zurückkehren wird. Nach unserem Eindruck haben die deutschen Autohersteller schon vor 2020 an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, und auch die Corona-Krise wurde nicht wirklich gut gemanagt. So fiel der Einbruch der deutschen Autoproduktion verglichen mit der PKW-Herstellung...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Sobald sich die Situation bei den Halbleitern verbessert, dürfte sich die deutsche Autoproduktion deutlich erholen und damit der Industrieproduktion sowie der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einen Schub geben. Darauf deutet der rekordhohe Auftragsbestand hin, der mittlerweile eine Reichweite von fünfeinhalb Monaten aufweist.
Dennoch ist zu befürchten, dass die deutsche Autoindustrie nicht nachhaltig zur alten Stärke zurückkehren wird. Nach unserem Eindruck haben die deutschen Autohersteller schon vor 2020 an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, und auch die Corona-Krise wurde nicht wirklich gut gemanagt. So fiel der Einbruch der deutschen Autoproduktion verglichen mit der PKW-Herstellung in anderen Ländern sehr viel stärker aus.
In Deutschland beträgt derzeit der Produktionsrückgang gegenüber Januar 2015 rund 60 Prozent, in Brasilien und Japan dagegen nur 30 Prozent, in den USA 25 Prozent und in Korea gut 20 Prozent. Und das, obwohl die deutschen Hersteller sehr stark von staatlicher Hilfe profitieren: Der Absatz von Elektro- und Hybridfahrzeugen wird mit Kaufprämien unterstützt, gleichzeitig sinken die Lohnkosten aufgrund des vom Staat finanzierten Kurzarbeitergeldes.
Ohne diese Maßnahmen ginge es der deutschen Autoindustrie vermutlich wesentlich schlechter. Und ob die Transformation von Verbrenner- zu Elektroautos wirklich ein Erfolg wird, bleibt abzuwarten - nicht zuletzt auch deshalb, weil neue Anbieter in China und in den USA wie Pilze aus dem Boden schießen, was zu einem noch stärkeren Kampf um Marktanteile führen wird.
Die unterdurchschnittliche Entwicklung bei wichtigen volkswirtschaftlichen Kennzahlen beschränkt sich zudem nicht allein auf die Industrieproduktion und die Exporte. Auch bei den Einzelhandelsumsätzen oder der Beschäftigung haben sich die meisten anderen Länder der Eurozone seit 2015 besser geschlagen. Dies deutet darauf hin, dass wir mittlerweile ein ernsthaftes Wettbewerbsproblem haben. Dies zeigt sich vor allem daran, dass die Lohnstückkosten in Deutschland in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind. Und Wirtschaftsreformen, die unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern, gab es auch keine.
Dies sollten die Ampel-Koalitionäre bei ihren sicherlich nicht einfachen Verhandlungen mit berücksichtigen - es geht schließlich um die Zukunft Deutschlands. Solange aber die Arbeitslosigkeit niedrig ist, dürfte der Reformdruck gering bleiben. Deutschland scheint auch hier den japanischen Weg einzuschlagen.
Für den deutschen Aktienmarkt müssen diese zugegeben trüben Erkenntnisse aber nicht automatisch etwas Negatives bedeuten. Wer noch die Dax-Entwicklung in den 1990er Jahren vor Augen hat, weiß, dass deutsche Aktien auch bei schwierigen heimischen Wirtschaftsbedingungen eine ausgezeichnete Entwicklung aufweisen können, da die meisten Unternehmen einen großen Anteil ihrer Umsätze und Gewinne im Ausland erzielen. Von daher sind wir optimistisch, dass der Dax im nächsten Jahr an seinen positiven Trend aus diesem Jahr anknüpfen und angesichts vermutlich zu niedriger Erwartungen für die Unternehmensgewinne Kurs Richtung 18.000 Punkte nehmen wird.
Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?
Über den Autor