Thomas Richter im Interview „Mifid II schadet Verbrauchern mehr, als es ihnen nützt“
Worin sehen Sie weitere wesentliche Kritikpunkte, welche Aspekte sollten aus Sicht der Fondsindustrie ebenfalls überarbeitet werden – und wie?
Richter: Vorschriften, die dem Schutz privater Anleger dienen, sollten nicht auf Fondsgesellschaften oder ihre professionellen Kunden angewandt werden. Was soll ein Profianleger, der seine Anlagen ständig verfolgt, mit gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweisen bei negativer Wertentwicklung anfangen? Wir brauchen ein nach Kundenkategorien abgestuftes Schutzniveau. Auch mit Verzichtsmöglichkeiten, insbesondere für professionelle Kunden, ließe sich das Problem reduzieren.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass das BMF im Rahmen der anstehenden Überprüfung der Mifid-II-Richtlinie im kommenden Frühjahr eine Verbesserung im Sinne der Fondsindustrie durchsetzen kann?
Richter: Ganz gut. Wir sind zuversichtlich, was Verbesserungen bei der Behandlung professioneller Anleger angeht. Bei der Pflicht zur Telefonaufzeichnung müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass in erster Linie deutsche und mit Abstrichen österreichische Anleger und Berater auf sie sensibel bis ablehnend reagieren. Hier zeigt sich die Wirkung jahrelanger Diskussionen und Gesetzgebung zum Datenschutz. So paradox dieses deutsche Alleinstellungsmerkmal angesichts des gleichzeitig grassierenden Exhibitionismus in den sozialen Medien und im Internet ist – eine Änderung von Mifid II ist eher unwahrscheinlich, wenn die Bürger anderer Mitgliedstaaten in Telefonaufzeichnungen kein Problem sehen.
Das Bundesministerium der Finanzen hatte sich unter anderem im September 2019 auf einer Konferenz in Brüssel für die Belange der Fondsbranche eingesetzt. Wie gut sehen Sie sich vom BMF in dieser Hinsicht vertreten?
Richter: Die Veranstaltung hat gezeigt, dass das BMF die frühzeitig und vielfach geäußerte Kritik der Fondswirtschaft teilt. Bereits Ende August hatte es sich in die Diskussion um eine Mifid-Überarbeitung eingebracht und mit einem Positionspapier an die EU-Kommission gewandt. Wir sind beeindruckt, wie stark sich das BMF im Sinne des Anlegerschutzes dafür einsetzt, die Mifid-Mängel zu beseitigen. Das Positionspapier war der erste Schritt in Richtung Korrektur, weitere müssen von der EU-Kommission und dem EU-Parlament und den anderen Mitgliedstaaten folgen. Wir begrüßen daher die Initiative des BMF ausdrücklich.