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Didier Saint-Georges Die dunkle Seite der Macht der Zentralbanken

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Drittens hat die Politik der Europäischen Zentralbank die kurzfristigen Renditen auf so niedrige Niveaus gedrückt, dass sie mittlerweile in einigen Ländern negativ sind. Abgesehen davon, dass das ein unorthodoxes Konzept ist, bedeuten negative Zinsen, dass Barmittel von Banken, sie Geld kosten, statt Gewinne einzubringen. Es versteht sich wohl von selbst, dass die Vorstellung, Endkunden für ihre Einlagen bezahlen zu lassen, gar nicht gut ankäme. Extrem niedrige Zinsen sind also eine schlechte Nachricht für Banken, was wiederum eine schlechte Nachricht für das Wirtschaftswachstum ist. Das Ergebnis ist ein Teufelskreis, der die Zinssätze immer weiter nach unten zieht.

Warum? Weil sich die selbsterfüllende Prophezeiung niedriger Zinsen und flacher oder sogar invertierter Renditekurven weiter verschärft. Wenn sich die Marktteilnehmer der Rückkopplung zwischen niedrigen Zinssätzen und einer schwächelnden Wirtschaft bewusst sind, beginnen sie, eine Abwärtsspirale der Zinssätze einzupreisen. Damit werden Zinsen von einem Heilmittel gegen ein schwaches Wirtschaftswachstum zum Vorboten desselben. So schließt sich der Kreis: Wir steuern auf die nächste Rezession zu.

Aus makroökonomischer Sicht kann praktisch kostenloses Geld schädlich sein. Extrem niedrige Zinsen ermöglichen es Unternehmen, relativ unrentable Investitionen zu tätigen und damit eine falsche Allokation von Kapital fördern. Das schafft nur sehr wenig Wohlstand. Im Bemühen, billige Kredite zur Verfügung zu stellen, haben die Zentralbanken in Wirklichkeit das mittelfristige Wachstumspotenzial der Volkswirtschaften - und damit die Beschäftigung - erstickt.

Wie lässt sich dieses Paradox erklären? In Zeiten von Wirtschafts- oder Finanzkrisen ist eine lockere Geldpolitik sinnvoll, weil sie ein wirksames Mittel ist, um eine drohende Liquiditätsverknappung abzuwehren. Eine solche Verknappung würde einen Kolbenfresser im gesamten Finanzsystem verursachen, was katastrophale Folgen für die Wirtschaft insgesamt hätte. Problematisch wird es, wenn kostenloses Geld zum neuen Normalzustand wird, ohne dass dies durch zugrunde liegende Krisenbedingungen gerechtfertigt wäre.

An diesem Punkt haben sich die gemeinen Nebenwirkungen eingenistet und es ist extrem schwierig, sie wieder loszuwerden – es sei denn, man lüftet den Schleier über all den Preisverzerrungen von Finanzwerten und der Kapitalallokation, die sich im Laufe der Jahre eingeschlichen haben. Vor allem in Europa ist es genau diese dunkle Seite der Macht der Zentralbanken, die die übermäßig niedrigen Zinssätze von heute ans Licht bringen.

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