Martin Eberhard (Gastautor)
06.05.2021

Vermögensbildung Die Angst vor dem Kapitalmarkt bremst den Wohlstand für alle

Zwei Männer, eine Anlagestrategie
Zwei Männer, eine Anlagestrategie: Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) packen ihr Geld am liebsten aufs Sparbuch
© IMAGO / Jens Schicke
ARTIKEL-INHALT
Seite 1 - Bevölkerung an den Unternehmen teilhaben lassen
Seite 2 - Spekulanten statt Investoren

„Wohlstand für alle“ – das ist der von Ludwig Erhard geprägte Anspruch an die Soziale Marktwirtschaft. Was Erhard, Bundeswirtschaftsminister von 1949 bis 1963 und Bundeskanzler von 1963 bis 1969, damit meinte: Die Wirtschafts- und Sozialordnung soll die gesamte Bevölkerung am wachsenden Wohlstand teilhaben lassen.

Der heutige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier wünscht sich das bestimmt auch, machte aber jüngst im Wirecard-Untersuchungsausschuss keinen Hehl daraus, dass er persönlich noch nie „Aktien oder dergleichen besessen habe“. Bundesfinanzminister Olaf Scholz setzt noch einen drauf und „legt sein Geld nur auf einem Sparbuch, also sogar auf dem Girokonto an und da kriege ich, wie alle anderen, keine Zinsen“. Er mache das, was kein Anlageberater empfiehlt.

Bevölkerung an den Unternehmen teilhaben lassen

Ludwig Erhard würde sich vermutlich im Grabe umdrehen, war er doch schon 1959 auf gutem Wege, der breiten Bevölkerung Finanzwissen beizubringen. Er unterstützte den Börsengang der Preussag, deren Wertpapiere als erste „Volksaktien“ galten. Er wollte damit Arbeitnehmern ein Instrument zur Vermögensbildung an die Hand geben und nebenbei über die Teilhabe an Unternehmen das Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge schärfen. Auf die Preussag folgten Volkswagen 1961 sowie die Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks AG (Veba, im Jahr 2000 in E.ON aufgegangen), die damals schon mehr als zwei Millionen Privatanleger anzog.

Während die Aktionäre der Preussag kein großes Glück mit Ihrem Investment hatten, freuen sich Volkswagen-Anleger noch heute über dessen Entwicklung.

Der Grundgedanke, die Bevölkerung am Wirken von Unternehmen teilhaben zu lassen, war damals nicht verkehrt und ist es nach wie vor nicht – im Gegenteil: Es ist dringend nötig. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der künftigen Probleme und Herausforderungen der gesetzlichen Rentenversicherung.

Ludwig Erhard und der damalige Schatzmeister Ludwig Dollinger wären jedoch gut beraten gewesen, hätten Sie dem Volk nicht einzelne Aktien, sondern die Investmentidee an sich und die breite Streuung über Investmentfonds nähergebracht.

In den 1950er-Jahren liegt Investmentsparen im Trend

Der Bundesbankbericht vom Juni 1959 sollte den Herren ja bekannt gewesen sein. Mit dem Fondak (ISIN: DE0008471012) wurde 1950 der erste deutsche Aktienfonds gegründet, zwei Jahre nach Einführung der DM. Das Investmentsparen hatte im Zeitraum seit 1955 einen rasanten Aufschwung erlebt. Damals standen zwölf Wertpapierfonds von sechs deutschen Kapitalanlagegesellschaften zur Verfügung. Betrug der Gesamtwert 1955 gerade einmal 30 Millionen DM, so waren im Juni 1959 bereits 1.480 Millionen Euro in Fonds investiert. Das Kapital stammte vorwiegend von Privatpersonen.

„Innerhalb weniger Jahre ist diese Form der Kapitalanlage somit zu einem beachtlichen Faktor der Geldvermögensbildung und gleichzeitig zu einem wichtigen Instrument für die Heranführung von Ersparnissen breiter Bevölkerungsschichten an den Wertpapiermarkt, vor allem an den Aktienmarkt, geworden“, schrieb die Bundesbank damals. Gelesen haben es aber anscheinend nur die wenigsten.

Dabei wäre nicht nur die Information relevant gewesen, sondern tatsächlich auch konsequentes Handeln.

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Auf den Fondak folgten weitere namhafte Investmentfonds, die bis heute nicht die schlechteste Entscheidung gewesen sind:

Zum 70. Geburtstag des ältesten deutschen Investmentfonds Fondak im September 2020 hätte ein Investment von einem Euro im Jahre 1950 (rund 2 DM) ein Anlageergebnis von 934,12 Euro gebracht. Der Chart des Fonds zeichnet nicht nur eine beachtliche Entwicklung des eingesetzten Kapitals, sondern ist Spiegelbild der deutschen Wirtschaft.

Hätten Ludwig Erhard und seine Kollegen damals die Fondsidee der Einzelaktie vorgezogen, so hätten wir heute wohl ein Land der Fondssparer anstatt der Bausparer. Vermutlich würden auch Olaf Scholz und Peter Altmaier anders über Investmentfonds und den Aktienmarkt denken, hätten ihre Eltern nur den Mut gehabt, ein paar Mark in Investmentfonds zu investieren. Die beiden Politiker sind 1958 geboren und feiern in Kürze ihren 63. Geburtstag.

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