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Die Angst vor Risiko ist die größte Gefahr

Gestern Nachmittag wurden die internationalen Aktienmärkte abermals von einer Schockwelle getroffen. Der Philly Fed, ein regionaler Stimmungsindikator für Unternehmen in den USA, ging sehr stark zurück. Normalerweise wird dieser Umfrage nicht so viel Beachtung geschenkt. Sie ist eine unter vielen. Dieses Mal fiel die Reaktion der Investoren aber umso heftiger aus. Der Rückgang der Stimmung auf den niedrigsten Wert seit rund 2¼ Jahren hat die Furcht vor einer Rezession in den USA weiter genährt.

Im Folgenden möchte ich eine grundsätzliche Frage diskutieren: Wie zuverlässig sind solche Stimmungsindikatoren, gerade in Zeiten von Finanzmarktkrisen? Übertreiben sie oder zeichnen sie ein zuverlässiges Bild dessen, was uns in einigen Monaten tatsächlich bevorsteht? Mit dieser Fragestellung werden sowohl Investoren als auch Volkswirte in den nächsten Wochen und Monaten zunehmend konfrontiert werden. Bevor ich versuche, eine Antwort zu geben, werden drei – extreme – Szenarien
vorgestellt:

Szenario 1: Die Frühindikatoren übertreiben massiv und zeichnen ein verzerrtes Bild von der Weltwirtschaft. Die Stimmung ist viel schlechter als die tatsächliche Lage.

In diesem Szenario sind die sich verschlechternden Umfragewerte vor allem eine übertriebene Momentaufnahme. Die Turbulenzen an den Finanzmärkten drücken zwar kurzfristig die Stimmung von Unternehmern und Verbrauchern. Die tatsächlichen Geschäfte laufen aber in den nächsten Monaten unverändert gut bis sehr gut.

Szenario 2: Die Abwärtsbewegung der Frühindikatoren steht zwar grundsätzlich in Übereinstimmung mit den zukünftigen Fundamentaldaten. Eine eins-zu-eins Übertragung der sehr starken Stimmungseintrübung in harte Zahlen ist allerdings nicht möglich.

Die Weltwirtschaft wird sich in den nächsten Monaten spürbar verlangsamen. Umfragen neigen in Zeiten hoher Unsicherheit aber auch immer wieder zu Übertreibungen. Eine globale Rezession ist deshalb nicht zu befürchten.

Szenario 3: Die Stimmungsumfragen unter Unternehmern laufen der Weltwirtschaft zuverlässig voraus. Ihre Botschaft sollte sehr ernst genommen werden.

Makroökonomisch kommen auf die Unternehmen und Verbraucher sehr schwierige Zeiten zu. Besonders gefährdet sind die USA, deren Wachstum bereits in den vergangenen Monaten nur noch leicht über der Nullgrenze lag.

Welche der drei Möglichkeiten ist die wahrscheinlichste? Zunächst ist es natürlich eine Glaubensfrage. Faktisch werden wir erst in einigen Monaten Gewissheit haben, welches Szenario sich durchgesetzt hat. Dann werden harte Zahlen wie Produktion, Auftragseingänge, Unternehmensgewinne und so weiter veröffentlicht. Das hilft aber natürlich im Augenblick nicht weiter. Nach meiner Einschätzung ist die folgende Entwicklung am wahrscheinlichsten:

Das erste Szenario lässt sich (leider) ausschließen. Wo Rauch ist, ist üblicherweise auch Feuer. Umfragewerte wie die Einkaufsmanagerindizes haben ja bereits vor dem Beginn der Aktienkursturbulenzen spürbar nachgegeben – und zwar weltweit (vgl. Grafik). Dies trifft auf die USA, die EWU sowie auf bislang sehr stark wachsende Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien zu. Faktisch dürften die schwächer gewordenen Stimmungsindikatoren ein ganz wesentlicher Grund dafür gewesen sein, warum die Investoren in den letzten Wochen nervös geworden sind. Die Schuldenkrise in den USA und Europa war nicht der einzige Auslöser.
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