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Rechtsanwalt Christian Waigel Die Bafin übernimmt eine tragische Rolle

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Das Budget für den Jahresabschluss einer mittleren Bank liegt zwischen 200.000 und 400.000 Euro. Damit sollen tausende von internen Kontoabschlüssen und hunderte von externen Saldenbestätigungen dritter Banken geprüft werden. Im Fall Wirecard wurden die Wirtschaftsprüfer mit krimineller Energie hinters Licht geführt, Saldenbestätigungen angeblicher asiatischer Korrespondenzbanken gefälscht, Mitarbeiter dieser Banken durch Schauspieler fingiert und bestochen. Angeblich hatte auch noch der österreichische Geheimdienst seine Finger im Spiel.

Solcher kriminellen Energie lässt sich mit den bestehenden Prüf- und Aufsichtsbudgets nicht auf Augenhöhe begegnen. Wer einem internationalen Finanzkonzern wirklich auf die Finger sehen will, muss höhere Prüfbudgets festsetzen als eines, das gerade mal für eine Plausibilitätskontrolle reicht.

Die „Financial Times“ trübte Anfang 2019 das Bild vom Senkrechtstarter Wirecard durch den Hinweis auf angebliche Scheingeschäfte in Singapur. Daraufhin erstattete die Bafin gegen den verantwortlichen Redakteur David McCrum Anzeige wegen des Verdachts auf Marktmanipulation. Etwas hilflos bemüht sich die deutsche Politik gegenwärtig um Schadenswiedergutmachung und will ihm das Bundesverdienstkreuz verleihen.

Um so etwas in Zukunft zu vermeiden, sollte der Untersuchungsausschuss einen Blick ins Gesetz werfen: In blumigen Floskeln ist dort nachzulesen, was eine Marktmanipulation ist: zum Beispiel die „Verbreitung irreführender Signale“ zum Kurs eines Wertpapiers, „Handlungen an Finanzmärkten, einschließlich von Kunstgriffen“ (was auch immer das sein soll), die den Kurs beeinflussen können, oder die Verbreitung von Informationen über die Medien einschließlich des Internets, die „falsche oder irreführende Signale zum Kurs eines Finanzinstruments“ geben können. Umfasst ist ausdrücklich auch das „Verbreiten von Gerüchten“.

Bei dieser Gesetzeslage kann die Verfolgung Unschuldiger eigentlich nicht ausbleiben. Solange die Aktenlage zu Wirecard bei der Bafin sauber war, waren die Berichte nach den geltenden Gesetzen eben eine Marktmanipulation, Pressefreiheit hin oder her. Gegenwärtig wird über den Tatbestand der Marktmanipulation eine Welle von Strafverfolgungen ausgelöst. Es trifft nicht nur Journalisten, sondern viele weitere Unbeteiligte. Vor allem für Bankmitarbeiter ist das dramatisch, weil der Bundestag für sie eine Strafdrohung von mindestens einem Jahr ausgesprochen hat. Die Welle ist aber nicht von der Bafin, sondern von den Parlamentariern ausgelöst worden. Wer eine Bulldoge von der Leine lässt, darf sich nicht wundern, wenn jemand gebissen wird.

Natürlich kann man zur weiteren Erhellung Ex-Minister einfliegen lassen. Es hilft aber auch ein Blick ins Gesetz. Ein Bafin-Bashing im Wahlkampf ist auf alle Fälle zu kurz gegriffen. Der deutsche und der europäische Gesetzgeber sollten auch vor der eigenen Türe kehren.


Über den Autor:
Christian Waigel ist Gründer der Münchner Kanzlei Waigel Rechtsanwälte. Schwerpunktmäßig beschäftigt sich der promovierte Jurist mit Finanzberatungs- und Regulierungsthemen.

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