Deutsche-Bank-Experte Eric Heymann
Die Billionen-Euro-Frage
Aktualisiert am 10.02.2021 - 15:17 Uhr
Eric Heymann ist Ökonom bei Deutsche Bank Research Foto: Deutsche Bank
Politiker setzen große Hoffnungen auf den Energieträger Wasserstoff. Deutsche-Bank-Ökonom Eric Heymann warnt jedoch vor hohen Kosten und erwartet in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten keinen Durchbruch bei der Nutzung.
Es mag bisweilen etwas kontraproduktiv erscheinen, wenn man in der klima- und energiepolitischen Diskussion betont, was alles nicht geht oder welche Hürden zu überwinden sind. Für kluge politische Entscheidungen ist es aber wichtig, die potenziellen Beiträge einzelner Technologien zur Lösung des Klima- und Energieproblems richtig einzuschätzen und dabei nicht nur die grundsätzliche technologische Machbarkeit, sondern auch ökonomische und soziale Folgekosten zu berücksichtigen, damit in der Öffentlichkeit keine unrealistischen Erwartungen geweckt werden.
Auch wenn grüner Wasserstoff vorerst teuer bleibt und nicht viel zu einer klimaverträglichen Energieversorgung beitragen kann, gibt es...
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
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Es mag bisweilen etwas kontraproduktiv erscheinen, wenn man in der klima- und energiepolitischen Diskussion betont, was alles nicht geht oder welche Hürden zu überwinden sind. Für kluge politische Entscheidungen ist es aber wichtig, die potenziellen Beiträge einzelner Technologien zur Lösung des Klima- und Energieproblems richtig einzuschätzen und dabei nicht nur die grundsätzliche technologische Machbarkeit, sondern auch ökonomische und soziale Folgekosten zu berücksichtigen, damit in der Öffentlichkeit keine unrealistischen Erwartungen geweckt werden.
Auch wenn grüner Wasserstoff vorerst teuer bleibt und nicht viel zu einer klimaverträglichen Energieversorgung beitragen kann, gibt es durchaus Gründe für Optimismus. Es wird auf allen Stufen der Prozesskette technischen Fortschritt geben: Die Kosten für den Betrieb von Elektrolyseuren sinken durch Größenvorteile, für den Transport von Wasserstoff können wohl auch bestehende Pipelines verwendet werden (Thema Beimischung im Erdgasnetz).
Für den Ferntransport per Schiff kann statt verflüssigtem Wasserstoff auch Ammoniak (NH3) verwendet werden, was technologisch weniger anspruchsvoll ist. Die Ingenieure und Naturwissenschaftler werden hier Ideen entwickeln. Aber schnelle Lösungen sollte man nicht erwarten. Mehr staatliche Forschungsgelder für Wasserstofftechnologien sind aber in jedem Fall angezeigt, schon alleine um zu vermeiden, dass Technologien sich aufgrund von Subventionen anstatt von Effizienzvorteilen durchsetzen.
Einsatz zunächst vor allem in stationären Anlagen
Wo dürfte grüner Wasserstoff zunächst eingesetzt werden? Angesichts der Probleme bei Transport und Lagerung ist es wahrscheinlich, dass grüner Wasserstoff zunächst vor allem in stationären Großanlagen genutzt und lokal produziert wird. Dadurch lassen sich Skaleneffekte bei den Elektrolyseuren erzielen. Metallerzeugung, Chemie- und Baustoffindustrie könnten also zu den wichtigsten Nachfragern zählen. Kleinteilige Anwendungen dürften sich dagegen vorerst nicht durchsetzen. Das gilt zum Beispiel für Brennstoffzellenheizungen in Gebäuden.
Der großflächige Einsatz von Wasserstoff im Pkw-Bereich (Brennstoffzelle oder direkte Verbrennung) wird derzeit auch von Tag zu Tag unwahrscheinlicher, weil die Reichweiten von batterieelektrischen Autos steigen und die Ladeinfrastruktur (auch aufgrund von staatlicher Förderung) ausgebaut wird. Zudem setzen viele Autohersteller im Pkw-Segment vor allem auf die batterieelektrische Mobilität und weniger auf Wasserstoff. Im Lkw-Segment sind die langfristigen Aussichten wohl etwas besser, aber auch hier gibt es interessante Alternativen (synthetische Biokraftstoffe, Oberleitungen).
Eine weitere wichtige Frage ist, wer künftig zu den großen Produzenten von Wasserstoff zählen wird. In einer aus Klimasicht idealen Welt wären dies vor allem Länder mit guten klimatischen und topografischen Voraussetzungen für die kostengünstige Nutzung von erneuerbaren Energien. Da hohe Investitionen zu leisten sind, dürften zudem vor allem wohlhabende Länder in die Wasserstoffproduktion einsteigen. Viele Staaten, die durch den Export von Erdöl und Gas reich geworden sind, erfüllen beide Kriterien. Zudem verfügen sie über Erdgasvorkommen, sodass die Wasserstoffproduktion nicht allein von Erneuerbaren abhängig ist.
Auch in den USA, China oder Teilen von Europa finden sich gut geeignete Standorte für die Wasserstoffproduktion. Schließlich werden manche Länder, darunter die USA oder Japan, in Zukunft auch die Kernenergie als grundlastfähigen und CO2-armen Energieträger nutzen, um Wasserstoff herzustellen. Dies wäre dann „roter Wasserstoff“, um die Farbenlehre abzuschließen.
Aus Kostensicht hätte dies den Vorteil, dass die Elektrolyseure im Dauerbetrieb laufen könnten. Damit „roter Wasserstoff“ eine Option wird, bedarf es natürlich einer politischen Akzeptanz der Kernenergie. Innerhalb der EU ist die Sichtweise hierzu nicht einheitlich. Die NWS erwähnt diese Option jedenfalls nicht.
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