DAS INVESTMENT: Value nach klassischen Kriterien hat seit der Finanzkrise eine ziemliche Durststrecke. Ist das Konzept tot?
Hendrik Leber: Das vielleicht nicht. Der Grundgedanke des Value-Anlegens wird immer funktionieren, da habe ich keine Zweifel.
Aber?
Leber: Die Rezepte aus dem 20. Jahrhundert greifen einfach nicht mehr. Als Benjamin Graham seine Bücher schrieb, beschäftigten sich die meisten Unternehmen mit Dingen zum Anfassen, Stahl, Baustoffe, Autos und so weiter. Die Welt war durch physische Anlagevermögen geprägt. Sie bauen eine Fabrik, stellen Stahl her, bauen eine zweite Fabrik und stellen doppelt so viel Stahl her. Das waren die Zusammenhänge, die für Investition, Geld und Rendite zählten. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis stammt ganz klar aus dieser Zeit.
Und heute?
Leber: Ist die Basis für solche Berichte und Kennzahlen verschwunden. Viele...
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DAS INVESTMENT: Value nach klassischen Kriterien hat seit der Finanzkrise eine ziemliche Durststrecke. Ist das Konzept tot?
Hendrik Leber: Das vielleicht nicht. Der Grundgedanke des Value-Anlegens wird immer funktionieren, da habe ich keine Zweifel.
Aber?
Leber: Die Rezepte aus dem 20. Jahrhundert greifen einfach nicht mehr. Als Benjamin Graham seine Bücher schrieb, beschäftigten sich die meisten Unternehmen mit Dingen zum Anfassen, Stahl, Baustoffe, Autos und so weiter. Die Welt war durch physische Anlagevermögen geprägt. Sie bauen eine Fabrik, stellen Stahl her, bauen eine zweite Fabrik und stellen doppelt so viel Stahl her. Das waren die Zusammenhänge, die für Investition, Geld und Rendite zählten. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis stammt ganz klar aus dieser Zeit.
Und heute?
Leber: Ist die Basis für solche Berichte und Kennzahlen verschwunden. Viele Anleger halten noch an diesen statischen Kennzahlen fest, bei denen der Kurs durch etwas dividiert wird und man dann das Ergebnis hat. Aus dieser Ecke kommen sie einfach nicht mehr heraus.
Sie schon?
Leber: Ja, weil ich denke, dass das alles nicht mehr stimmt.
>>>Hendrik Leber ist Gründer und Chef von Acatis. Zu den von ihm betreuten (und hier erwähnten) Fonds zählen der Acatis Datini Valueflex (ISIN: DE000A1H72F1) und der Acatis Aktien Global (DE0009781740). Letzterer gehört übrigens seit Jahren zu unseren 100 Fondsklassikern, die Sie hier finden.
Hat sich denn die Welt so sehr verändert?
Leber: Ja, das hat sie. Das Bruttosozialprodukt wird leichter. Vor hundert Jahren steckten dahinter noch Ziegelsteine, Autos und Stahl. Heute sind es Unternehmen, die ihre Klickraten optimieren. Vor hundert Jahren konnte man die Wirtschaft noch in Tonnen wiegen, heute wiegt sie quasi nichts. Es ist eine virtuelle Welt geworden. Und es ist ein virtuelles Geschäft, Wissen nutzbar zu machen. Es bringt hohe Renditen, es ist für mich Value. Aber es ist mit klassischen Maßen nicht mehr zu greifen.
Es muss doch auch in einer virtuellen Welt möglich sein, Vermögen zu bewerten und mit dem Kurs ins Verhältnis zu setzen.
Leber: Das ist extrem schwierig. Ich kann zwar auch heute Cashflows für die kommenden Jahre hochrechnen und auf heute abzinsen. Aber es ist eben schwierig, harte Größen zu finden, die das greifbar machen. Darüber diskutieren wir auch intern sehr viel in unserem Team.
Aber jetzt mal im Ernst: Von Abzinsen kann doch keine Rede mehr sein, oder?
Leber: Wir haben jahrelang mit einem Diskontierungsfaktor von 10 Prozent gearbeitet, aber das hat heute tatsächlich keinen Sinn mehr. Deshalb nehmen wir den internen Zinsfuß. Am Ende steht die Frage, bei welchem Zinssatz der Zukunftswert gleich dem heutigen Börsenwert wäre. Da landen wir heute bei 6 bis 8 Prozent für Aktien. Außerdem berücksichtigen wir als zweite wichtige Größe, wie viel Kapital dabei gebunden wird. Und dann messen wir, ob über die Kapitalrendite hinaus etwas übrig bleibt.
Verglichen mit den Kapitalkosten.
Leber: Genau. Es gibt Unternehmen, die wachsen zwar, verwässern das aber mit höherem Kapitaleinsatz. Durch neu ausgegebene Aktien oder so. Das ist nicht das, was wir suchen.