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Den Biodiversitätsverlust stoppen Die Biosphäre tilgt die Hälfte unserer Klimaschulden

Beim Südlichen Großflugbeutler in Australien handelt es sich nicht um eine, sondern gleich um drei Arten
Beim Südlichen Großflugbeutler in Australien handelt es sich nicht um eine, sondern gleich um drei Arten: Mehr als 80 Prozent der weltweiten Spezies – und damit deren Lebensräume – sind von der Wissenschaft noch unentdeckt, berichtet das renommierte britische Wirtschaftsmagazin „Nature“. | Foto: Imago Images / Ardea
Laurent Ramsey, CEO von Pictet AM

Die Natur war schon immer unverzichtbar für die menschliche Gesundheit. Die Menschen im alten Mesopotamien nutzten Hunderte von Pflanzen, wie Mohn und Myrthe, um Verletzungen und Krankheiten zu behandeln; viele dieser naturbasierten Behandlungen gibt es auch heute noch. Schätzungen zufolge werden mehr als ein Drittel der modernen Arzneimittel aus Flora und Fauna gewonnen, und in der Pharmaindustrie kommen sage und schreibe 70.000 verschiedene Pflanzenarten zum Einsatz.

Wenn also die Natur gedeiht, sind auch die Menschen gesünder. Leider ist bekanntlich aber das Gegenteil der Fall. Aufgrund des durch die rasante wirtschaftliche Entwicklung verursachten Rückgangs der biologischen Vielfalt verliert die Welt mittlerweile alle zwei Jahre ein möglicherweise wichtiges Arzneimittel, weiß das National Center for Biotechnology Information (NCBI) in Maryland, USA.

Eine Unterart der Himalaya-Eibe zum Beispiel, die zur Herstellung von Taxol, einem Chemotherapeutikum zur Krebsbehandlung, verwendet wird, steht kurz vor dem Aussterben – durch übermäßige Entnahme und Fällung für die Herstellung von Kraftstoff, wie das im britischen Cambridge beheimatete Institut International Union for Conservation of Nature (IUCN) berichtet.

Aber medizinische Therapien sind nur ein Bruchteil dessen, was der Mensch durch den Verlust der biologischen Vielfalt der Erde verlieren könnte. Eine gesunde Biosphäre stellt sicher, dass die Welt ausreichend mit Nahrungsmitteln, sauberer Luft, Wasser und fruchtbarem Boden versorgt wird; sie schafft auch die Bedingungen, unter denen wichtige Prozesse wie Bestäubung, Überschwemmungsschutz sowie CO2-Abscheidung und -Speicherung stattfinden.

All dies ist durch den Verlust der Biodiversität in Gefahr. Vor diesem Hintergrund wurden bereits Versuche unternommen, das Risiko zu berechnen. Ein Modell, das von den Vereinten Nationen entwickelt wurde, behandelt die Ressourcen des Planeten als „Naturkapital“, also als einen Vermögenswert, der wie jeder andere in der Bilanz eines Unternehmens steht. Nach diesem Modell bilden das von der Erde bereitgestellte saubere Wasser, der fruchtbare Boden und Mineralstoffe den Kapitalstock, aus dem der Mensch vier wesentliche „Ökosystemdienstleistungen“ erhält – Bereitstellung, Regulierung, Unterstützung und Kultur (siehe Grafik).

Der wirtschaftliche Wert dieser Dienstleistungen wird auf 140 Billionen US-Dollar pro Jahr geschätzt –60 Prozent mehr als das von der OECD berechnete globale BIP.

Grafik: Ökosystemdienstleistungen – Subvention für die Menschheit

Da der Mensch dieses Naturkapital ausbeutet und nicht investiert, um seinen Wert zu erhalten, hat er bereits geschätzte 60 Prozent der weltweiten Ökosystemdienstleistungen stark beeinträchtigt.

Angesichts dieser massiven Bedrohung würde man doch meinen, dass die Umkehrung des Verlusts an biologischer Vielfalt sowohl für Unternehmen als auch für Investorinnen und Investoren Priorität hat, vor allem in einer Ära des verantwortungsvollen Kapitalismus – hat es aber nicht. Die globale Erwärmung und der CO2-Ausstoß sind nach wie vor die dominierenden nichtfinanziellen Themen. Während sich immer mehr Unternehmen zu Netto-Null-Emissionen verpflichten, sehen jedoch nur wenige den Erhalt natürlicher Ökosysteme als unternehmerische Verantwortung an.

Warum das so ist, ist leicht erklärt. Biodiversität ist ein kompliziertes Thema. Anders als der Klimawandel, für dessen Erforschung es eine umfassende Infrastruktur und klar definierte Zielvorgaben gibt, ist die biologische Vielfalt ein komplexes, dynamisches System, das praktische Analysen deutlich schwerer macht. So sind beispielsweise mehr als 80 Prozent der weltweiten Spezies – und damit deren Lebensräume – von der Wissenschaft unentdeckt, wie das renommierte britische Wirtschaftsmagazin „Nature“ berichtet.

Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen Klima und Biosphäre können die beiden Krisen jedoch nur gemeinsam bewältigt werden. Nichts macht diese Notwendigkeit deutlicher als eine aktuelle Studie, aus der hervorgeht, dass Meeres- und Landökosysteme jährlich etwa die Hälfte der vom Menschen erzeugten CO2-Emissionen aus der Atmosphäre entfernen.

Anders ausgedrückt: Jedes Jahr wird die Hälfte unserer „Klimaschulden“ kostenlos von der Biosphäre getilgt – eine enorme Subvention für die Weltwirtschaft, wie die National Academy of Science (PNAS) in den USA herausgefunden hat.

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