DAS INVESTMENT: Herr Graf von Königsmarck, L&G war lange als Themen-ETF-Spezialist bekannt. Jetzt positionieren Sie sich breiter. Was hat sich verändert?
Philipp Graf von Königsmarck: Wir sind 2018 in Deutschland im Wholesale gestartet und haben uns stark auf Themen-ETFs fokussiert. Da waren wir Pionier – wir haben eine besondere Methodik entwickelt, bei der wir aktives Research in intelligent gestaltete Indizes gießen. Aber in den letzten zwei Jahren hat sich die Nachfrage nach Themen-ETFs deutlich verringert. Parallel dazu haben wir attraktive neue Strategien entwickelt, die ich dem Bereich Smart Beta zuordnen würde.
Ein Beispiel wäre hilfreich.
Königsmarck: Der Gerd-Kommer-ETF ist das beste Beispiel – er enthält fünf Faktoren und bietet einen intelligenten Ansatz für den breiten Aktienmarkt. Nach zweieinhalb Jahren verwaltet er fast 800 Millionen Euro. Im Rohstoffbereich haben wir einen ETF auf einen intelligenten Index aufgelegt, der den identischen Markt der breiten Rohstoffe outperformt. Bei US Small Caps integrieren wir ein Quality Overlay beim Russell 2000, ebenfalls mit Outperformance gegenüber dem Standard-Index – selbiges bei Dividenden.
Was bedeutet „intelligenter" konkret? Andere Anbieter bieten auch Smart-Beta-Dividenden-ETFs.
Königsmarck: Wir arbeiten mit einem Qualitätsfilter. Das heißt, wir identifizieren Unternehmen mit besserer Bilanzqualität beziehungsweise schließen Unternehmen mit geringer Rentabilität, aggressivem Bilanzwachstum und hohem Verschuldungsgrad aus. Wichtig ist außerdem die Konsistenz der Dividendenzahlung. Wir schauen also auf eine positive Eigenkapitalrendite und stetig steigende Zahlungen. Ergänzt um einen Gleichgewichtungsansatz führt die Methodik zu einer Outperformance gegenüber der Peer Group.
Warum glauben Anleger eigentlich eher an Storys wie Robotik oder Cloud Gaming statt an Value oder Momentum?
Königsmarck: Es ist greifbarer und besser zu erklären, der Endkunde versteht es einfacher. Hinzu kommt: Bei unseren Strategien haben die Titel fast keine Überlappung zum breiten Aktienmarkt. Du bekommst ein ganz anderes Titelset und damit mehr Diversifikation. So kannst du Akzente in Bereichen setzen, von denen du glaubst, dass sie stärker wachsen.
Ist Themen-Investieren nicht einfach Komplexitätsreduktion durch vertraute Schlagworte?
Königsmarck: Ja, aber es deckt nicht ein gesamtes Portfolio ab und ist daher eher in Core-Satellite-Strategien zu finden. Es ist eine Weiterentwicklung des traditionellen Ansatzes, nur in Ländern und Regionen zu denken – ein modernisiertes Konzept, würde ich sagen.
Jede Woche kommen neue ETFs auf den Markt. Wann kippt Vielfalt in Beliebigkeit?
Königsmarck: Unsere Branche differenziert sich durch innovative Neuentwicklungen vom Überangebot. Die Entwicklung von aktiven ETFs finden wir inzwischen auch bei etablierten aktiven Managern. In den USA gibt es bereits mehr aktive als passive ETFs – zugegeben mit steuerlichen Begünstigungen. Dieser Trend wird auch hier weitergehen. In fünf Jahren werden wir sehen, ob Kunden tatsächlich von aktiven Fonds in aktive ETFs gewechselt haben.
Müsste man als Anbieter angesichts dieser Produktflut nicht häufiger Nein sagen?
Königsmarck: Man muss vor allem eine klare Produktstrategie formulieren und nicht beliebig ETFs auflegen. Wir haben nach wie vor Themen-ETFs, die langfristig attraktiv sind – Cyber Security, Clean Water, Artificial Intelligence. Das sind strategische Wachstumsthemen ohne allzu große Volatilität. Aber wir erweitern unsere Range gezielt in andere Bereiche.
Wie wichtig war Gerd Kommer als Zugpferd für den Erfolg?
Königsmarck: Es war die perfekte Symbiose. Gerd Kommer hat eine hohe Markenbekanntheit im Endkundenbereich, unsere war dort nahe null. Wir haben uns gegenseitig befruchtet. Jetzt sehen wir aufgrund des Erfolgs und der Performance-Entwicklung auch Nachfrage im Wholesale-Segment, wo wir unsere Expertise und den Vertrieb einbringen.
Werden Enhanced-Strategien die Zukunft aktiver ETFs? Oder werden sich dort die konzentrierten Strategien durchsetzen?
Königsmarck: Aktuell dominieren Enhanced-Strategien mit geringem Tracking Error gegenüber einem Index. Das wird erst mal so bleiben. Es gibt zwar einige voll diskretionäre Strategien im ETF-Mantel, aber da aktive Häuser sich dadurch kannibalisieren, vermute ich hier kein allzu großes Wachstum. Hier gelten die gleichen Regeln wie bei aktiven Fonds: Man braucht Performance-Historie.
Wird es in fünf Jahren noch klassische S&P-500-ETFs geben oder nur noch Enhanced-Versionen?
Königsmarck: Es kommt zu einer Umverteilung, aber Standard-ETFs wird es weiterhin geben. Die Investmentstrategien der großen Kapitalsammelstellen unterscheiden sich stark. Einige nutzen für effiziente Märkte einfach ETFs als Vehikel und haben im Satellitenbereich aktive Manager für spezielle, ineffiziente Märkte, andere setzen nur auf ETFs und für diese kommen Enhanced-ETFs in Frage. Die Anbieter müssen erst einmal einen Track Record aufbauen und beweisen, dass Enhanced-ETFs funktionieren – dann werden Assets aus dem Plain-Vanilla-Bereich in aktive ETFs fließen.
Werden wir Private-Markets-ETFs in Europa sehen?
Königsmarck: Das ist der Versuch, illiquide Assets liquide zu gestalten. Das haben wir im Immobilienbereich gesehen. Auch hier gilt, dass erst einmal gezeigt werden müsste, dass Struktur und Wertentwicklung aufgehen.
Über den Interviewten:
Philipp Graf von Königsmarck verantwortet bei L&G die Geschäftsentwicklung in Nord-Europa. Das Unternehmen startete 2018 im deutschen Wholesale-Markt und hat sich vom Themen-ETF-Spezialisten zum breiten Anbieter von Smart-Beta-Strategien entwickelt.

