LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in InterviewsLesedauer: 5 Minuten

Aktien aus Schwellenländern „Die Firmenchefs sind optimistisch, die Investoren zu negativ“

Emil Wolter
Emil Wolter: Erfahrener Fondsmanager für Schwellenländeraktien | Foto: Comgest

DAS INVESTMENT: Herr Wolter, der Comgest Growth Emerging Markets blieb 2021 hinter anderen Schwellenländeraktienfonds und dem Vergleichsindex zurück. Wieso?

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

Emil Wolter: Das hat drei Ursachen. Erstens investieren wir grundsätzlich nicht in Energieunternehmen. Die Kurse in dieser Branche stiegen seit Jahresanfang aber deutlich. Schließlich war 2020 der Ölpreis kurzzeitig sogar negativ. Unternehmensgewinne und Aktienkurse erholten sich danach entsprechend stark. Dies gilt auch für andere zyklische Sektoren wie Rohstoffe und Industriewerte.

Und zweitens?

Wolter: Auch Banken meiden wir. Stattdessen kaufen wir im Finanzsektor die Aktien von Lebensversicherern. Nun haben sich die Aktienkurse der Banken, die den Schwellenländerindex im Finanzbereich dominieren, nach Beginn der Corona-Krise sehr schnell erholt. Die Kurse der Lebensversicherer erholten sich noch nicht in diesem Ausmaß. Für deren Geschäft ist eine Pandemie nun einmal schlecht. Die generellen Aussichten von Lebensversicherern in den Schwellenländern sind aber sehr gut: Die Mittelschicht ist gewachsen, nun beginnen die Menschen sich abzusichern – mit Lebensversicherungen.

Eigentlich investieren Sie nicht in Banken – die größte Position im Fonds ist aber zurzeit HDFC, eine indische Bank.

Wolter: Bei HDFC handelt es sich vor allem um einen Hausfinanzierer, der eine recht konservative Geschäftspolitik verfolgt. Wir beobachten das Unternehmen seit Langem. Und im Corona-Crash Anfang 2020 gab es ein kleines Zeitfenster, in dem die Aktie so günstig bewertet war wie seit 15 Jahren nicht mehr. Weil der Kurs seither kräftig stieg, wurde HFDC zur größten Position im Fonds. Und die Aktie hat weiter Potenzial.

Was ist der dritte Grund?

Wolter: Der große China-Anteil im Fonds. Die Kurse chinesischer Unternehmen leiden darunter, dass der Staat die Internetkonzerne stärker reguliert. Dabei ist das eine ähnliche Diskussion, wie wir sie in den USA oder Europa erleben: Die Macht weniger Internetkonzerne wird zunehmend kritisch beäugt. Der Unterschied zu den westlichen Demokratien: In China greift der Staat dann auch mal durch. Und das ist dann ein Schock für die Kapitalmärkte. Hinzu kommen die Probleme im Immobiliensektor des Landes, in den immense Summen geflossen sind. Eine Blase, die der chinesische Staat zu entschärfen versucht. Auch hier ist der Ansatz im Westen anders – hier wird eine solche Blase eigentlich nur beobachtet, bis sie irgendwann platzt.


Wie sind die Perspektiven für China?

Wolter: Derzeit hört man mitunter, China sei nicht investierbar. Das hat es aber fünf Mal in den vergangenen 20 Jahren geheißen. Das Land ist inzwischen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Offenbar wurde dort in dieser Zeit einiges richtig gemacht. Kurz gesagt: Das Investorensentiment für China ist zurzeit schlecht, solche Phasen hat es immer wieder gegeben, und es sind gute Phasen, um in exzellente Unternehmen zu einem günstigen Preis zu investieren.

Gibt es Länder, die Sie meiden?

Wolter: Grundsätzlich schauen wir auf Unternehmen, nicht auf Sektoren oder Länder. Aber wenn die Politik eines Landes so erratisch ist wie beispielsweise zuletzt in der Türkei, leidet die Wirtschaft. Deshalb haben wir derzeit keine Aktien von türkischen Unternehmen im Portfolio, obwohl es durchaus ein paar gibt, die infrage kämen. Die Gefahr ist aber, dass uns von den in Lira mit diesen Aktien gemachten Erträgen in US-Dollar oder Euro wenig bleibt, wenn die Landeswährung abwertet.

Tipps der Redaktion