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„Die Geldpolitik dürfte sich nicht so schnell verschärfen"

Robeco-Chefvolkswirt Léon Cornelissen
Robeco-Chefvolkswirt Léon Cornelissen
Ist die US-Wirtschaft stark genug, um eine Verschärfung der Geldpolitik zu verkraften? Diese Frage beschäftigt uns vor allem aufgrund der fragilen weltweiten Rahmenbedingungen und mit Blick auf das auffallend deutlich rückläufige Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der USA.

Da sich der von der US-Notenbank bevorzugte Inflationsindikator, der US-Preisindex der privaten Verbrauchsausgaben (PCE), noch immer bei rund einem Prozent bewegt und – ein Warnsignal – das BIP-Wachstum im 1. Quartal von 2,4 auf 1,8 Prozent gesunken ist, dürfte sich die Geldpolitik so schnell nicht verschärfen.

Ungeachtet der Versicherung von Fed-Chef Ben Bernanke, die Geldpolitik sei von der Datenlage abhängig, seien die Folgen seiner Äußerungen weltweit spürbar gewesen. Mit Blick auf die Weltwirtschaft erwarten wir, dass sich das unter dem Trend liegende Weltwirtschaftswachstum fortsetzen wird.

Europa zeigt Anzeichen einer Stabilisierung, aber nicht in den Peripherieländern

In der Eurozone sind neue Anzeichen für eine Stabilisierung zu
erkennen. Der Anstieg des Einkaufsmanagerindex auf 48,7 Zähler signalisiert, dass sich der Konjunkturrückgang verlangsamt. Allein diese zögerlichen Hinweise auf eine Erholung sollten ausreichen, um die Europäische Zentralbank
(EZB) von einer weiteren Lockerung ihrer Geldpolitik abzuhalten – insbesondere wegen des leichten Anstiegs der Gesamtinflationsrate auf 1,6 Prozent und des steigenden Ölpreises.

In Südeuropa nehmen indes die politischen Spannungen zu. Beispielsweise in Portugal, wo sich der Ministerpräsident gegen vorgezogene Neuwahlen stemmte. Die Ruhe an den europäischen Rentenmärkten ist nach unserer Ansicht  weiterhin zerbrechlich, und es ist nicht davon auszugehen, dass die EZB den angeschlagenen Mitgliedsländern der Eurozone rasch zu Hilfe eilen wird.

Bei Aktien zeigt der Trend nach oben

Auch wenn die Rally an den Aktienmärkten durch die von den jüngsten Äußerungen der Fed ausgelösten Befürchtungen abrupt beendet wurde, bleiben wir bei unserer positiven Einschätzung und sehen bei den Aktienkursen weiter Luft nach oben.

Der US-Aktienmarkt habe sich während der jüngsten Turbulenzen als besonders robust erwiesen und bleibe deshalb unser Favorit. Die Fed beurteilt die Wachstumsaussichten allzu optimistisch. Wir bevorzugen weiterhin risikobehaftete Finanzmarktaktiva und rechnen nicht damit, dass vor dem 4. Quartal durch gedrosselte Anleihekäufe der

Fed überschüssige Liquidität aus dem Markt genommen wird. Im derzeitigen Szenario, in dem eine eher pessimistische, durch Risikoaversion geprägte Stimmung vorherrsche, bevorzugt wir weiter defensive Sektoren.

Schwellenländeranleihen geraten unter Druck

Schwellenländeranleihen sind durch wachsende Bonitätsaufschläge sowie eine anhaltende Abwertung von Schwellenländerwährungen gegenüber dem US-Dollar von zwei Seiten unter Druck geraten. Deshalb haben wir den Ausblick für diese Anlageklasse auf ‚neutral’ geändert.

Wir rechnen damit, dass die Sorgen über gedrosselte Anleihekäufe durch die Fed und die politischen Spannungen in mehreren großen Schwellenländern – Brasilien, Südafrika, der Türkei und Ägypten – dazu führen, dass der Trend zu höheren Bonitätsaufschlägen und stärkeren Wechselkursschwankungen anhalten wird.

Für Schwellenländer-Aktienmärkte schätzen wir die Lage derzeit kaum besser ein. Sie sind mit schwächeren wirtschaftlichen Fundamentaldaten, strukturellen Problemen und verhaltenem Wachstum konfrontiert. So haben die chinesischen Behörden inzwischen in den sauren Apfel gebissen und einen rasanten Anstieg der Interbankenzinssätze zugelassen.

Scheinbar ist es ihnen wichtiger, das Schattenbankensystem unter Kontrolle zu bringen und Spekulationsgeschäfte einzudämmen, als das zunehmend ehrgeizige Wachstumsziel von 7,5 Prozent in 2013 zu erreichen. Das jüngst lancierte Konjunkturprogramm könnte jedoch für Stimmungsaufhellung sorgen.

Die jüngste Verkaufswelle macht High-Yield-Anleihen attraktiver

Eine Verkaufswelle sorgte im letzten Monat bei High-Yield-Anleihen für einen Kursrückgang von 3,2 Prozent, so dass die Vorliebe der Robeco-Strategen für Hochzinspapiere noch etwas zugenommen hat. Wir gehen davon aus, dass sich die Kurse bei High-Yield-Anleihen wieder erholen werden – aufgrund der attraktiven Rückzahlungsrenditen, der günstigen Zinsbedingungen und der unter dem historischen Durchschnitt liegenden Ausfallquoten.

Ferner geht man davon aus, dass High-Yield-Neuemissionen, die Anlegern nur eine begrenzte Absicherung bieten und ein Allzeithoch erreicht haben, kein Grund zur Sorge sein dürften. Die Emissionserlöse seien in diesen Fällen größtenteils zu Refinanzierungszwecken und nicht wie in der Vergangenheit zu einer riskanteren Finanzierung von Leveraged Buy-outs bestimmt.

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