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DJE-Vorstand im Gespräch „Die Geldpolitik kann in die Bredouille kommen“

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Wie groß ist die Gefahr, dass durch Niedrigzins und Corona-Kriesenmanagement Zombie-Unternehmen entstehen?

Kaffarnik: Je länger diese geldpolitische und fiskalpolitische Unterstützung bleibt, desto größer wird die Gefahr, dass Unternehmen überleben, die es aus ökonomischer Sicht nicht mehr sollten, weil sich der Markt geändert hat oder ihre Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren. Denn durch die extremen Hilfsmaßnahmen sind Marktwirtschaft und damit verbundene Anpassungsprozesse – für die eine Branche geht es hoch, für die andere geht es runter – stark verzerrt. Ein Auslaufen dieser Hilfen wäre also die logische Konsequenz, um wieder in normales Fahrwasser zu gelangen.

Mit den Minizinsen bleiben die Zeiten für Banken und Versicherungen schwierig?

Kaffarnik: Ja, sie wirken negativ auf beide Branchen. Banken haben ein großes Problem, mit risikolosen Anlagen Geld zu verdienen. Die Zinsstrukturkurven sind auch relativ flach, wodurch es am langen Ende nicht viel mehr als am kurzen zu verdienen gibt. Große Kursgewinne zu machen, wird künftig also sehr schwierig. Das bringt die Institute ertragsseitig unter Druck, was wiederum zur Kostenreduzierung und damit verbunden zu Personalanpassungen, Schließung von Filialen und weiteren Fusionen führt.

Auch Versicherungen haben einen Großteil ihrer Anlagen in festverzinslichen Wertpapieren guter Bonität, deren Rendite sehr niedrig ist. Insofern wird auch das Kapitalanlageergebnis der Versicherungen negativ beeinflusst. In der Versicherungsbranche findet derzeit bereits ein Umdenken in der Produktpolitik statt. Lebensversicherungspolicen werden künftig ohne Beitragsgarantien angeboten. Versicherer verlagern also Anlagerisiken aus der Versicherungspolice auf ihre Kunden.

Schätzen Sie Aktien angesichts niedriger Anleihe-Renditen als günstig ein?

Kaffarnik: Historisch betrachtet sind die Aktienbewertungen derzeit hoch, mitunter wie bei US-Technologieaktien sogar sehr hoch. Das muss man aber tatsächlich immer in Relation zu den Kapitalmarktzinsen sehen. Vergleicht man die Gewinnrendite vom internationalen Aktienmarkt, gemessen am MSCI World, mit einem Weltzins für die Industrieländer aus jeweils einem Drittel Deutschland, USA und Japan, erhält man einen deutlichen Bewertungsvorteil für den Aktienmarkt. In Zahlen entspricht dies derzeit 4 Prozent Gewinnrendite zu durchschnittlich 0,1 Prozent Rendite für diese Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit. Der Unterschied ist damit doppelt groß wie im historischen Mittel.

Wie wird sich der Aktienmarkt in diesem Jahr entwickeln?

Kaffarnik: Zwei Prämissen müssen für ein gutes Aktienjahr 2021 erfüllt werden. Die erste ist, dass wir einen Impfstoff in der Breite nutzen können. Dadurch würden die Konjunkturerwartungen stabilisiert, was ein ganz entscheidender Faktor ist. Die zweite Voraussetzung ist, dass die weltpolitischen Konflikte entschärft werden. In den vergangenen Jahren stand ja vor allem der Handelsstreit zwischen den USA und China im Fokus.

Es ist davon auszugehen, dass sich der Ton zwischen den beiden Parteien durch den neuen US-Präsidenten mäßigen wird, dennoch bleibt das Thema auf der Agenda. Aber selbst wenn diese Punkte 2021 erfüllt sind, wird die Börse selbstverständlich keine Einbahnstraße sein. Gerade die Risiken, die nicht auf dem Radar zu sehen sind, können wirklich wehtun – wie 2020 die Corona-Pandemie.

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