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„Die Märkte sind wie verwöhnte, unerzogene Kinder“

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Inflation ist ein Hirngespinst

Die Kurse werden derzeit also gestützt von den niedrigen Zinsen. Die Hausse ist keineswegs eine „Flucht in die Sachwerte“, angesichts einer bevorstehenden Inflation – sonst hätte der Goldpreis nicht um ein Drittel nachgegeben.

Inflation ist in der gegenwärtigen Situation (zu schwache Nachfrage, zu wenig Investitionen, zu hohe Sparquote) ein Hirngespinst, mit dem man insbesondere den Deutschen Angst einjagen kann. Die niedrigen Zinsen, zusammen mit dem Versprechen, finanzielle Zusammenbrüche zu verhindern, geben den Börsen derzeit Auftrieb. Mehr ist auch nicht nötig.

Könnte es nicht ewig so weiter gehen? Klar ist jedenfalls, dass es der Wirtschaft im Kern nicht gut geht, wenn sie in diesem Zinsumfeld nur ein Wachstum von ein bis drei Prozent schafft. Man möchte sich nicht ausmalen, wie es ihr in einem normalen Zinsumfeld erginge. Wohl wie einem alten Mann ohne medikamentösen Jungbrunnen.

Das Problem mit den ewig niedrigen Zinsen ist, dass niemand weiß, wie die Politik des billigen Geldes wieder beendet werden kann, ohne die Schäden anzurichten, die man zu verhindern versprochen hatte.

So spielen die Investoren heute ein gefährliches Spiel, das auf der Hoffnung auf auch künftig billiges Geld beruht – denn dieses steht den Zentralbanken als einziges Mittel zur Verfügung, um Wachstum zu kaufen und Zeit, um die strukturellen Probleme der entwickelten Länder zu lösen.

Die Zentralbanken senken die Zinsen an die Nullgrenze, um den Unternehmen das Investieren leicht und dem Mann auf der Straße das Konsumieren schmackhaft zu machen. Das Resultat kann aber auch ein ganz anderes sein, wie es in Japan zu studieren ist: Durch das billige Geld können schwache Firmen am Leben gehalten werden, welche die Entwicklung neuer Unternehmen hemmen. Und die Konsumenten werden nicht durch billiges Geld, sondern nur durch gute wirtschaftliche Aussichten von ihrer Furcht vor der Zukunft befreit.

Die ehrwürdige Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Zentralbank der Zentralbanken, hat in ihrem letzten Quartalsbericht darauf hingewiesen, dass die scheinbar unendliche Lockerung das Risiko eines Absturzes zwar in die Zukunft verschiebt, nicht aber wirklich verringert. Je höher die Kurse steigen, desto mehr gilt es, sich an die alte Regel zu erinnern, What goes up, must come down.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Märkte wie verwöhnte, unerzogene Kinder sind: Irgendwann, in einem halben Jahr oder auch in zwei, werden sie sich langweilen und herausfinden wollen, was Janet Yellen, ihre neue Herrin der Märkte auf dem Stuhl des US-Zentralbankpräsidenten, im Krisenfall unternimmt.
Sie werden testen, ob sie noch mehr Hasen aus dem Hut zu zaubern bereit ist als ihr Vorgänger.

Auch in Europa werden die Märkte ihre Rauflust wieder entdecken, wenn die Eurokrise sich erneut meldet. Die Europäische Zentralbank hat ihre Bilanzsumme um fast 25 Prozent geschrumpft, hat Liquidität aus dem Markt genommen, um den Deutschen zu gefallen.

So gut es uns heute also geht, so sehr wir uns an den steigenden Bewertungen für alles freuen können, so sehr sind doch die Erwartungen und Ahnungen davon geprägt, dass wir nach wie vor eine Wirtschaft haben, die im Wesentlichen stagniert. In diesem Fall ist die gegenwärtige Geldschwemme aber kein Mittel, das Problem zu lösen, sondern ruft nur eine Blase hervor, bei deren Platzen wir alle ganz tapfer sein müssen.

Diese Ahnung hat kürzlich Lawrence Summers auf einer Veranstaltung des IWF formuliert. Das Video von dieser Veranstaltung hat sich rasend schnell bei den investierenden Ständen verbreitet, was darauf hindeutet, dass man vielerorts nur auf diese brillante Formulierung gewartet hat. Für das nächste Jahr ist das kein gutes Omen.

Wachstum in den OECD-Staaten seit 1981
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