Disruptive Player mit hoher Wertschöpfung „Die Märkte unterschätzen den Einfluss des Klimawandels“
Herr McPartlin, warum wird uns Nachhaltigkeit in Zukunft dauerhaft begleiten?
Malcolm McPartlin: Derzeit unterschätzen die Märkte eher den Einfluss des Klimawandels, als dass sie ihn übertreiben. Tatsache ist: Die Zahl der extremen Wetterphänomene hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Wir sind noch in der frühen Phase einer neuen Epoche, die durch weitreichende Nachhaltigkeitsüberlegungen geprägt sein wird. Auch die Bedeutung brennender Fragen wie Ungleichheit, Rassismus und Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen wird noch nicht von allen Marktteilnehmern erkannt.
Strukturelle Armut, Massenproteste in den USA, marode Gesundheitssysteme: Die Symptome von bevorstehenden Entwicklungen sollten gerade Anleger aber nicht übersehen, oder?
McPartlin: Diese Symptome spielen letztlich in die Kapitalanlage hinein. Viele Menschen, insbesondere die jüngeren Generationen, sind im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte schon weiter als manche Unternehmen und Regierungen. Letztere werden jedoch nicht umhinkommen zu reagieren und Antworten auf die Fragen unserer Zeit zu finden. Gerade in den entwickelten Märkten befleißigen sich die Unternehmen, den neuen Wünschen ihrer Kunden nach mehr Nachhaltigkeit auf sowohl wirtschaftlicher als auch gesellschaftlicher Ebene gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang begrüßen wir auch die Pläne der Europäischen Union; sie sind ambitioniert und zukunftsweisend. Wir sind Zeuge eines Wandels weg von der Maximierung der Gewinne für Anleger hin zu einer umfassenden Besserstellung der Stakeholder.
Wo liegen Alleinstellungsmerkmale des Aegon Global Sustainable Equity Fund?
McPartlin: Wir vertrauen auf unseren dreidimensionalen, ganzheitlichen Ansatz. Wir setzen nicht nur auf Ausschlusskriterien, sondern prüfen, inwieweit es den Unternehmen gelingt, ihre klassischen Geschäftsmodelle hin zu mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln.
Welche Unternehmen stehen im Fonds im Fokus?
McPartlin: Ganz generell interessieren uns jüngere Unternehmen mehr als seit längerer Zeit am Markt etablierte Unternehmen: Sie reagieren auf neuen Bedarf und stimulieren als Pioniere oft auch gänzlich neue Bedürfnisse – und verfügen damit über viel Wachstumspotenzial. Daher halten wir keine Positionen in Megacaps.
Könnten Sie den Hintergrund näher erläutern?
McPartlin: Unserer Ansicht nach ist der Nachhaltigkeitsansatz vieler großer Konzerne mitunter nur wenig authentisch. Natürlich bringt Facebook in Zeiten der von Covid-19 bewirkten Einschränkungen die Menschen in Kontakt; auf der anderen Seite benutzt der Konzern die Daten seiner User aber für alle möglichen Zwecke – und nicht immer zu ihrem Besten, wie der Skandal um das Datenanalyseunternehmen Cambridge Analytica und dessen Manipulationen in US-Wahlkämpfen gezeigt hat.
Unser Aegon Global Sustainable Equity Fund setzt stattdessen auf Wachstumstitel mit einem deutlichen Bezug zu Nachhaltigkeitsthemen. Wir suchen disruptive Player mit hoher Wertschöpfung.
Könnten Sie Beispiele für Aktien nennen, die einen Platz im Portfolio finden?
McPartlin: Lassen Sie mich aus den insgesamt 40 Titeln im Portfolio drei herausgreifen. Kornit Digital, ein israelischer Hersteller von Digitaldruckmaschinen für Textilien, entwickelt, produziert und vermarktet Drucklösungen für den gewerblichen und industriellen Einsatz in der Bekleidungs- und Textilindustrie.
In dieser Branche zählt heute mehr denn je Geschwindigkeit. Fast Fashion, der englische Ausdruck für dieses Geschäftsmodell, hat jedoch einen gewaltigen ökologischen Fußabdruck, etwa durch den Wasserverbrauch bei der Produktion von Baumwolle – für die Herstellung eines T-Shirts werden allein 3.000 Liter Wasser benötigt – und die langen Transportwege aus Asien in die entwickelten Märkte, wodurch Fast Fashion 8 bis 10 Prozent der Treibhausgase verursacht. Kornit Digital ermöglicht Modeunternehmen, Trendware im Handumdrehen vor Ort zu bedrucken, wodurch flexibel auf die Nachfrage reagiert werden kann. Jetzt müssen nicht ungefähre Volumen in Asien bestellt werden, die man abzusetzen hofft – es wird just in time produziert, wodurch die Wertschöpfung hoch bleibt, weil viel weniger oder bestenfalls gar nichts mehr verramscht werden muss. Das Unternehmen ist auf dem Weg, das Image von Fast Fashion deutlich zu verbessern.
Und das zweite Beispiel?
McPartlin: Wir versprechen uns darüber hinaus viel von der Zur-Rose-Gruppe, ein in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätiger Schweizer Arzneimittelversender, dessen Aktie binnen Jahresfrist um fast 180 Prozent gestiegen ist. Deutschlands Gesundheitsminister Jens Spahn will die E-Rezeptpflicht ab 2022 einführen, wodurch für Patienten weiterhin die freie Apothekenwahl gewährleistet wird. Zur Rose hat im dritten Quartal 2020 den Umsatz steigern können, nicht zuletzt, weil die Patienten die Treiber hinter dem Geschäftsmodell sind. Ihre Nachfrage nach neuen digitalen, effizienten und günstigen Interaktionsformen ist enorm – was letztlich gut ist für das Wohlergehen der Menschen.
Ein drittes Beispiel aus unserem Portfolio ist Alfen. Der niederländische Spezialist für Umspannstationen, intelligente Stromnetze, Energiespeichersysteme und Ladestationen für E-Autos läuft sich derzeit erst warm für die vielen Anwendungen, die durch den Aufschwung von Smart Grids und E-Mobilität zukünftig eine weite Verbreitung erfahren werden.
Inwiefern können Anleger zu einer nachhaltigeren Welt beitragen?
McPartlin: Als Verbraucher sollten sie bei ihren Käufen nachhaltig orientierte Unternehmen bevorzugen. Als Anleger sollten sie bei ihren Investments ebenfalls genau hinschauen – und auch hier vergleichen.
Für uns als Asset Manager mit einem ESG-Team, das aus insgesamt 14 erfahrenen Analysten besteht – drei davon arbeiten mit mir zusammen in Edinburgh – ist besonders spannend: Viele Unternehmen, die ihren Beitrag für eine nachhaltigere Welt leisten wollen, sind noch in einer frühen Phase. Engagierte Anleger können sich beteiligen und damit diese Unternehmen auf ihrem Weg in die Zukunft begleiten.