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Die nächste Generation Wie Digitalversicherer eine angestaubte Branche aufmischen

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Tatsächlich ist das ein Vorteil, den sogar die Etablierten als den größten der Insurtechs sehen. Eine aktuelle Umfrage unter 60 Branchenexperten (63 Prozent davon aus Versicherungen, die restlichen 37 Prozent aus Dienstleistungsfirmen) hat ergeben, dass 94 Prozent der Versi-cherer die neuen Marktteilnehmer als relevant für den Kundenservice und für den Vertrieb einschätzen. Auch im Schadenmanagement (89 Prozent) und in der Produktentwicklung (78 Prozent) messen die Befragten den Start-ups eine hohe Bedeutung zu (siehe Grafiken rechts). Wohl auch ein Grund, warum 60 Prozent der Umfrageteilnehmer bereits heute mit den Startups zusammenarbeiten. An Ottonova ist zum Beispiel der Krankenversicherer Debeka mit 10 Prozent beteiligt.

So ganz ohne die „verstaubten“ Alten geht es als digitaler Versicherer also anscheinend doch nicht. Und auch ein Eintritt in den verkrusteten Markt der Versicherungen ist nicht immer gleich übermäßig erfolgreich. So hat Ottonova 2017 laut seinem Solvabilitätsbericht Bruttobeiträge in Höhe von 31.000 Euro eingenommen. Dagegen stehen unter anderem Kosten für Versicherungsfälle in Höhe von 302.000 Euro plus Kosten für Vertragsabschlüsse von 250.000 Euro plus Verwaltungskosten von 143.000 Euro. Kurz: 2017 verbuchte der digitale Versicherer ein Minus von 728.000 Euro. Der Start in den Markt sei plangemäß verlaufen, sagt Ottonova-Vorstand Brühl dazu. „Wir wussten, dass es eine große Herausforderung wird, sich in diesem Markt zu etablieren. Krankenversicherungen nur online zu vertreiben ist ein neuer Ansatz, und es gibt keine Erfahrungswerte. Dank unserer Investoren haben wir aber die Zeit, unser Kollektiv in Ruhe aufzubauen.“ Rund 40 Millionen Euro an Investorengeld hat das Insurtech im Rücken.

Ottonova ist dabei nicht der einzige digitale Versicherer, den es heute in Deutschland gibt. Gerade im Bereich der Sachversicherungen sind einige Anbieter unterwegs, darunter One, Element, Get Safe oder Coya. Coya beispielsweise bekam im Juni 2018 nach neun Monaten Bearbeitungszeit und mehr als 1.000 Seiten Antrag die Bafin-Lizenz als Versicherer. Drei Monate später war das erste Produkt auf dem Markt – eine digitale Hausratversicherung. In weniger als einer Minute soll sie nach Eingabe von Name, Postleitzahl und Wohnfläche abschließbar sein, die Verträge sind täglich kündbar, Schadensmeldungen via Smartphone selbstverständlich.

Für eine 53 Quadratmeter große Wohnung in Hamburg-Winterhude werden monatlich 2,66 Euro fällig bei 35.000 Euro Versicherungssumme. „Der Kunde sollte für seinen Schutz bezahlen, nicht mit einem großen Teil seiner Prämie für den Vertrieb“, begründet Coya-Gründer Andrew Shaw den niedrigen Preis. Kundenorientierung sei nicht die große Stärke der traditionellen Versicherer, legt der Coya-Gründer nach. „Die Schadenbearbeitungszeit beträgt bei vielen Versicherungen zum Beispiel zwischen sechs und acht Wochen – die gleiche Zeit benötigt eine Schildkröte, um von Berlin nach Hamburg zu laufen.“ Bei Coya will man Schäden in einem bis wenigen Tagen bearbeiten. Ein ehrgeiziges Ziel? Durchaus. Aber an Ehrgeiz mangelt es der Truppe aus Berlin sowieso nicht. Befragt nach dem Ziel, das man sich gesetzt habe, antwortet Shaw: „Wir sind gestartet, um Europas größte digitale Versicherung zu werden.“ Man darf also gespannt sein.

Ebenfalls in der Sparte Hausrat- und Haftpflichtversicherung unterwegs ist der Digitalversicherer One. Die Besonderheiten, die man hier herausstellt, sind ähnlich wie bei Coya: 100 Prozent digital, jederzeit kündbar, minutenschnelle Schadenbearbeitung, Schadenfreiheitsrabatt, 100-prozentiger Fokus auf heutige und künftige Kundenerwartungen. Ein Beispiel hierfür ist der „One Coach“, den Kunden auf dem Smartphone installieren. Er soll dazu beitragen, dass „Ihr Bock darauf habt, Euch schon heute darum zu kümmern, dass Euch auch morgen kein Schaden entsteht“, heißt es auf der Website. Wer regelmäßig zu Mittag isst oder Risikogebiete meidet, bekommt Punkte gutgeschrieben, die man „in tolle Prämien“ umtauschen kann. Auch der Versicherer hat was von der GPS-Messung, die im Hintergrund dafür abläuft: „Denn wir werden künftig dank der erfassten Informationen Versicherungspakete schnüren können, die exakt auf Eure Lebensgewohnheiten zugeschnitten sind.“ Reiseversicherungen etwa, die sich bei der Städtereise nach London exakt dem persönlichen Programm der Kunden anpassen.