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Die neue Innenarchitektur der EZB

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Neue Innenpolitik


Ein zweites Indiz (freilich etwas spekulativer): Es sieht so aus, als ob das EZB-Direktorium an Einfluss gegenüber dem EZB-Rat gewinnt, in dem auch die Chefs der nationalen Notenbanken sitzen und das die geldpolitischen Entscheidungen trifft.

Bisher war es immer üblich, dass die geldpolitischen Entscheidungen vom Präsidenten und seinem Chefvolkswirt vorbesprochen und dann dem EZB-Rat zur Entscheidung vorgelegt wurden. Beim letzten Mal hörte man, dass Draghi die Entscheidungsvorlage vom EZB-Direktorium insgesamt beschließen ließ. Das gibt ihr natürlich mehr Gewicht.

Ein Mehr an Unabhängigkeit

Wenn das Usus werden sollte, dann würde das einige Probleme lösen. Der Chefvolkswirt verlöre seine herausgehobene Stellung. Die Deutschen, die diese Position bisher immer für sich beansprucht hatten, können sich also nicht mehr über einen Machtverlust beschweren, weil jetzt keiner von ihnen mehr auf diesem Stuhl sitzt.

Die Unabhängigkeit der EZB würde gestärkt. Zuletzt war sie nämlich nicht mehr so sehr dadurch gefährdet, dass der Präsident von den Staats- und Regierungschefs unter Druck gesetzt wurde. Vielmehr soll es so gewesen sein, dass nationale Notenbanken mit klaren Aufträgen ihrer Regierungen in die Sitzungen des EZB-Rats kamen und diese dort durchzusetzen versuchten.

Wenn das Direktorium jetzt mehr Macht hat, dann können die nationalen Notenbanken nicht mehr so viel bewirken. Es könnte sein, dass Draghi damit auch von dem deutschen Bundesbankpräsidenten Weidmann – einem der starken Köpfe im Rat – unabhängiger werden möchte.

Der neue Mann hinter Draghi

Aufgefallen ist mir in den vergangenen Wochen auch, dass der neue "Außenminister" der EZB seine Stimme stärker zur Geltung bringt. Bisher hörte man von Bini Smaghi relativ wenig.

Sein Nachfolger Asmussen hat sich jetzt öffentlichkeitswirksam in die Verhandlungen über den neuen Fiskalpakt eingeschaltet und vor einer Verwässerung gewarnt. Es könnte sein, dass sich die EZB in Zukunft als stabilitätspolitisches Gewissen der Eurozone profiliert – ähnlich zur Bundesbank in Deutschland.

Insgesamt geht die Europäische Zentralbank damit den Weg vom "Klon" der Bundesbank, als der sie gegründet worden war, zu einer eigenständigen und selbstbewussten Institution weiter.

Für die Deutschen ist es schwieriger, ihre Position durchzusetzen. Sie müssen das verstärkt mit Argumenten und politischer Taktik tun, als mit Verweis auf ihre ökonomische Stärke und ihre stabilitätspolitische Tradition.

Die EZB gewinnt durch das Herunterfahren der Wertpapierkäufe der Peripherieländer an Statur gegenüber den Regierungen. Sie zieht sich wieder auf die Geldpolitik zurück. Sie wird dadurch weniger angreifbar und zwingt die Regierungen, ihre Hausaufgaben bei der Fiskalpolitik zu machen.

Natürlich ist die starke Zunahme der Liquidität nicht unproblematisch. Sie lässt sich aber schwer kritisieren, solange die Preissteigerung eher auf dem Rückzug ist. Auf lange Sicht kann sie freilich zu Kollateralschäden auf den Kapital¬märkten und bei den Inflationserwartungen führen.

Für den Anleger

Es tut den europäischen Märkten gut, wenn "ihre" Zentralbank wieder höheres Ansehen genießt. Das erleichtert die Überwindung der Eurokrise und stärkt den Euro auf den Devisenmärkten. Die kurzfristigen Zinsen können weiter zurückgehen.

Damit bleiben die Aussichten für die Bonds trotz des hohen Refinanzierungsvolumens (über 2.000 Milliarden Euro allein bei Staaten und Banken in Europa) gut. Die Aktienmärkte profitieren von der Liquidität. Hier belasten freilich die Konjunktur und die Finanzkrise.

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