LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in MeinungenLesedauer: 3 Minuten

Die T-Rezession Warum die Rezession vielleicht gar keine ist

Seite 2 / 2

Nach der weithin anerkannten Definition haben wir es mit einer Rezession zu tun, wenn das BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen „negativ wächst“, also sinkt. Bezogen auf die Kalenderquartale werden diese Kriterien im Jahr 2020 mit einem negativen Wachstum im ersten und zweiten Quartal problemlos erfüllt. Wäre ich jedoch besonders pedantisch, dann müsste ich feststellen, dass die Rezessionsdefinition auf rollierender Quartalsbasis keineswegs erfüllt ist. Denn der erste Dreimonatszeitraum, in dem das Wachstum wirklich negativ war, war die Zeit des vollständigen Lockdowns, der am 1. März begann und am 31. Mai endete. Wir wissen aber bereits jetzt, dass das darauffolgende Quartal vom 1. Juni bis Ende August von einem wirtschaftlichen Rekordwachstum geprägt sein wird. Daher wird bis Ende August auf rollierender Basis keine Rezession eingetreten sein. Sollte man also angesichts des raschen Einbruchs und der fast ebenso raschen Erholung dieser Konjunkturabschwächung überhaupt von einer Rezession sprechen?

Einbruch und Erholung sehen als Kurve gezeichnet wie ein T aus. Es ist klar, dass die Gesamtwirtschaftsleistung Ende August niedriger sein wird als zu Jahresbeginn, und das wird enorme Folgen haben. Die entscheidende Frage für 2020 und darüber hinaus lautet: Wie hoch reicht der Anstieg bis zur horizontalen Linie des T?

Regierungen und Finanzbehörden auf der ganzen Welt haben in einem außergewöhnlich kurzen Zeitraum mit einer Rekordsumme an finanz- und geldpolitischen Maßnahmen auf das Problem reagiert. Um einen bekannten Spruch abzuwandeln: Die Aufgabe der Behörden bestand nicht darin, den Partygästen den Alkohol wegzunehmen, sondern ihnen eine uneingeschränkte Happy Hour zu ermöglichen. Auch wenn diese Konterbier-Politik den Kater nicht vollständig beseitigen kann, stellt sich die Frage: Wie weit wird sie ihn heilen? Hier kommen wir wieder zu Phase 3 zurück.

Regierungen und Währungshüter werden die Wirtschaft verständlicherweise zu ihrem früheren Ruhm zurückführen wollen, was darauf hindeutet, dass die finanz- und geldpolitische Lockerung fortgesetzt wird. Dies steht im Widerspruch zu den virusbedingten Veränderungen der Geschäftspraktiken und dem Ausmaß, in dem sich das Verhalten jedes Einzelnen (das Verbrauchervertrauen) durch die diesjährigen Erfahrungen verändert hat. Die Behörden werden weiterhin Gegenmittel gegen die Lockdown-Maßnahmen bereitstellen und so die Verbreitung (oder hoffentlich ausbleibende Verbreitung) des Virus und den Schaden bekämpfen, den der kurze, heftige Schock und Konjunkturabschwung bei Unternehmen, Verbrauchern und Regierungen angerichtet hat.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion