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Investments in Schwellenländern „Die Top-Down-Sicht kann dazu führen, dass Chancen übersehen werden“

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Auf welche Kennzahlen legen Sie besonderen Wert?

Shant: Wir halten Ausschau nach Unternehmen mit starkem nachhaltigem, säkularem Wachstum und einzigartig innovativen und disruptiven Geschäftsbereichen. Daher konzentriert sich unsere Analyse auf das Verständnis der Dauer und des Ausmaßes der Wachstumschancen, die vor dem Unternehmen liegen.

Bei großen Wachstumsunternehmen wäre es unsinnig, sich auf ein- oder zweijährige KGVs zu konzentrieren, wenn der Großteil des Wertes mehrere Jahre in der Zukunft liegen könnte. Wir untersuchen, wie groß unserer Einschätzung nach die Wachstumschancen ausfallen werden und vergleichen unsere Bewertung mit dem, was derzeit im Aktienkurs eingepreist ist.

In welchen Geschäftsmodellen sehen Sie aktuell das größte Innovations- und Disruptionspotenzial?

Shant: Wir sehen, dass eine Vielzahl der grundlegendsten technologischen Innovationen bereits in den letzten Jahren stattgefunden hat. Sei es die Macht und unendliche Skalierbarkeit der Cloud, der Aufstieg hervorragender E-Commerce-Geschäftsmodelle oder innovative Formen des digitalen Zahlungsverkehrs. Alle großen Innovationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Anwendern eine Kombination aus neuen Nutzungsmöglichkeiten, höherer Geschwindigkeit, Bequemlichkeit, Zuverlässigkeit beziehungsweise niedrigeren Kosten bieten als die Lösungen, die ihnen vorausgingen.

Jetzt erleben diese disruptiven Innovationen eine massenhafte Akzeptanz in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft. Dies war schon vorher zu beobachten, aber die pandemiebedingten Lockdowns führten zu einer starken Beschleunigung der Akzeptanz neuer Technologien und neuer Verfahren. Jetzt sind in jedem Sektor Managementteams, die die Bedeutung dieser Veränderungen verstehen, dabei, Nachzügler in ihren Sektoren abzuhängen, um die Disruption innerhalb der Wirtschaft stärker und umfassender voranzutreiben.

Was kennzeichnet ein wachstumsstarkes Unternehmen aus den Schwellenländern? Achten Sie hier auf andere Kennzahlen oder Faktoren als bei Unternehmen aus den USA und Europa?

Shant: Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass Wachstumsunternehmen in Schwellenländern irgendwie anders und vielleicht günstiger als Wachstumsfirmen der Industrieländer sind. Dies ergibt sich aus Vergleichen auf Index-Ebene von Schwellenländern mit denen der Industrieländer, aber die optische Bewertung der Schwellenländer wird durch die starke Präsenz von niedrig bewerteten Banken, Energieunternehmen und Bergbauunternehmen nach unten gedrückt.

Ein qualitativ hochwertiges Wachstumsunternehmen aus den Schwellenländern muss ähnlich analysiert werden wie eines aus den Industrieländern, obwohl sich die Details und Risiken zwangsläufig unterscheiden. Die Bewertungen sehen oft vergleichbar aus, über die meisten Metriken hinweg, da nachhaltiges Wachstum selten und wertvoll ist, wo immer es zu finden ist.

Welche Rolle spielen makroökonomische Überlegungen bei Ihren Investments?

Shant: Wir sind in erster Linie ein Bottom-up-Investor. Dennoch sind wir uns bewusst, dass in den Schwellenländern die jeweilige Postleitzahl die langfristigen Renditen beeinflussen kann, weshalb wir bei der Festlegung der Positionsgröße auch die Länderrisiken und Ähnliches berücksichtigen.

Wo sehen Sie aktuell besondere Länderrisiken? Von welchen Regionen halten Sie sich fern?

Shant: Ein häufiger Fehler selbst sehr erfahrener Anleger ist es, von oben nach unten zu schauen und zu entscheiden, dass einige Regionen und Länder besser oder schlechter aussehen als andere, und die Aktienauswahl von dieser Erkenntnis abhängig zu machen. Natürlich können einige Bereiche höhere Risiken aufweisen als andere, und diese können im Laufe der Zeit zu- oder abnehmen.

Wichtig ist jedoch, dass man von unten nach oben, auf Unternehmens- und Aktienebene, nach wirklich nachhaltigem Wachstum sucht. Dann können die erwarteten Renditen gegen die Länder- oder Regionalrisiken abgewogen werden. Schwierige Zeiten machen Menschen und Unternehmen oft innovativer und bereit, nach neuen Lösungen zu suchen. Die Top-Down-Sicht kann dazu führen, dass viele großartige Chancen übersehen werden.




Über den Interviewten: 
Raj Shant ist Portfolio-Spezialist für den PGIM Jennison Emerging Markets Equity Fund. Bis August 2019 verantwortete er nachhaltige Investmentstrategien bei Newton Investment Management.

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