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in Märkte verstehen, Chancen nutzenLesedauer: 7 Minuten
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Larry Finks Brief an CEOs Die transformative Kraft des Kapitalismus

BlackRock-CEO Larry Fink
BlackRock-CEO Larry Fink: Für Unternehmen wird der ständige Dialog mit ihren wichtigsten Stakeholdern immer wichtiger – und sie müssen diesen gerecht werden. | Foto: Imago Images / Xinhua

Sehr geehrte/r CEO,

zu Beginn eines jeden Jahres nehme ich mir Zeit für eine wichtige Aufgabe: Ihnen im Namen der Kunden von BlackRock, die Aktionäre Ihres Unternehmens sind, zu schreiben. Die meisten unserer Kunden legen ihr Geld an, um damit ihren Ruhestand zu finanzieren. Ihr Anlagehorizont kann sich über Jahrzehnte erstrecken.

Die finanzielle Sicherheit, die wir für unsere Kunden anstreben, entsteht nicht über Nacht. Dafür braucht es Zeit und deshalb verfolgen wir einen langfristigen Ansatz. Dabei widme ich mich stets den Themen, die aus meiner Sicht von zentraler Bedeutung für langfristig beständige Erträge und somit Voraussetzung dafür sind, dass unsere Anleger ihre Ziele erreichen können.

Beim Stakeholder-Kapitalismus geht es nicht um Politik. Auch nicht um eine soziale oder ideologische Agenda. Er ist auch nicht „woke“. Er ist Kapitalismus, angetrieben von Beziehungen von gegenseitigem Nutzen zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitern, Kunden, Zulieferern und Gemeinschaften, ohne die Ihr Unternehmen nicht erfolgreich sein und gedeihen kann. Das ist die Kraft des Kapitalismus.

In unserer heutigen global vernetzten Welt muss ein Unternehmen für alle seine Stakeholder Werte schaffen und gleichzeitig deren Wertschätzung erhalten. Nur so kann es seinen Aktionären langfristig einen Wert bieten. Ein wirksamer Stakeholder-Kapitalismus ermöglicht eine optimale Kapitalverwendung, dauerhaft rentable Unternehmen sowie eine langfristige Schaffung von Werten und deren Erhalt. Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass faires Streben nach Gewinn immer noch das ist, was Märkte antreibt. Und langfristige Rentabilität ist für Märkte schlussendlich der Gradmesser für den Erfolg Ihres Unternehmens.

Grundlage des Kapitalismus ist der Prozess der ständigen Neuerfindung – Unternehmen müssen sich immer weiterentwickeln und auf Veränderungen reagieren. Innovative Unternehmen, die sich diese Rahmenbedingungen zunutze machen wollen, kommen heute leichter denn je an das nötige Kapital, um ihre Visionen zu verwirklichen. Und die Beziehungen zwischen einem Unternehmen, seinen Mitarbeitern und der Gesellschaft werden neu definiert.

Zugleich hat die Pandemie das Vertrauen in traditionelle Institutionen untergraben und die Polarisierung in vielen westlichen Gesellschaften verschärft. Diese Entwicklung stellt Sie als CEO vor neue Herausforderungen. Darum ist Ihre Stimme heute wichtiger denn je. Nie war es für CEOs von größerer Relevanz, Position zu beziehen und einen klar definierten Unternehmenszweck, eine kohärente Geschäftsstrategie sowie eine langfristige Perspektive zu haben. Die Stakeholder, ohne die Ihr Unternehmen keine Gewinne für seine Aktionäre erwirtschaften kann, müssen von Ihnen direkt hören – um von Ihnen eingebunden und inspiriert zu werden. Sie müssen wissen, welchen Standpunkt wir mit Blick auf wichtige gesellschaftliche Fragen vertreten, die wesentlich für den langfristigen Erfolg unserer Unternehmen sind.

Eine neue Arbeitswelt

Keine Beziehung wurde durch die Pandemie grundlegender verändert als die zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Zwar sind nicht alle Länder und Branchen gleichermaßen von Fluktuation und steigenden Löhnen betroffen. Aber rund um den Globus erwarten Beschäftigte heute mehr von ihren Arbeitgebern – darunter mehr Flexibilität und eine sinnstiftendere Tätigkeit. Früher erwarteten Unternehmen von ihren Mitarbeitern, dass sie von Montag bis Freitag ins Büro kommen. Die psychische Gesundheit war kaum ein Thema, über das am Arbeitsplatz diskutiert wurde. Und die Löhne von Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen stiegen kaum. Diese Welt ist Geschichte.

Dass Arbeitnehmer mehr von ihren Arbeitgebern erwarten, ist ein wesentliches Merkmal eines funktionierenden Kapitalismus. Es fördert den Wohlstand für alle und den Wettbewerb um Talente. Es treibt Unternehmen an, für ihre Beschäftigten ein besseres, innovativeres Arbeitsumfeld zu schaffen – und es hilft ihnen, höhere Gewinne für ihre Aktionäre zu erzielen. Unternehmen, denen dies gelingt, werden für ihre Mühe belohnt. So zeigen unsere Analysen, dass Firmen mit einer starken Mitarbeiterbindung während der Pandemie von geringerer Fluktuation und höherer Rentabilität profitiert haben.

Unternehmen, die sich nicht an diese neue Realität anpassen und die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten nicht ernst nehmen, laufen Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten. Fluktuation treibt die Kosten in die Höhe und schmälert die Produktivität. Sie untergräbt die Unternehmenskultur und das Bewahren von Firmenwissen. CEOs müssen sich fragen, ob sie ein Betriebsumfeld schaffen, das im Wettbewerb um Talente hilfreich ist.

Ein solches Umfeld zu entwickeln, ist heute komplexer denn je und beinhaltet weit mehr als eine angemessene Vergütung und flexible Arbeitsmodelle. Die Pandemie hat auch Themen wie ethnische Gleichstellung, Kinderbetreuung und psychische Gesundheit ins Bewusstsein gerückt und macht deutlich, welche unterschiedlichen Erwartungen junge und ältere Menschen an Arbeit haben.

Neue Kapitalquellen als Treiber der Disruption

Junge, innovative Unternehmen hatten es niemals leichter, sich Kapital zu beschaffen. Noch nie stand so viel Geld für neue Ideen bereit. Dies verleiht der Innovationsdynamik einen kräftigen Schub. Praktisch in jedem Sektor gibt es eine Fülle disruptiver Start-ups. CEOs etablierter Unternehmen müssen diese veränderten Rahmenbedingungen und die Vielfalt der Kapitalquellen verstehen, wenn sie gegenüber kleineren, flexibleren Branchenneulingen wettbewerbsfähig bleiben wollen.