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"Die USA stehen vor einer gigantischen Re-Industrialisierung"

Gottfried Urban
Gottfried Urban
Ein neues Allzeithoch im Dow – das hätte noch vor der Finanzkrise Anleger zu Jubelsprüngen hingerissen. Dieses Mal ist davon wenig zu spüren. Ganz im Gegenteil. Die Stimmen, die von einer Blase an den Aktienmärkten sprechen, sind auch in den vergangenen Wochen nicht verstummt. Diese Skepsis ist gesund. Damit sollte das Kursrückschlagpotenzial begrenzt sein.

Das größte Risiko für den Aufschwung liegt nach wie vor in der hohen Verschuldung der USA. Die Staatsverschuldung erreicht die kritische Schwelle von 100 Prozent der Wirtschaftsleistung. Der Sparzwang müsste die Konjunktur also eher bremsen.

Die US-Notenbank aber hilft durch die ultralockere Zins- und Kapitalmarktpolitik der Wirtschaft, dem Staat und den Privathaushalten. Mussten die US-Bürger 2007 noch 14 Prozent ihres Einkommens für den Schuldendienst aufbringen, sind es heute nicht einmal 11 Prozent, sowenig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Schuldenabbau bei den Privaten ist im vollen Gange, die Konsumgewohnheiten indes haben sich wenig geändert.

Die Baubeginne nehmen seit geraumer Zeit deutlich zu, der Autoabsatz ist auf Vorkrisenniveau, die Immobilienpreise steigen wieder, und die US-Banken verdienen erneut Rekordsummen.

Weitere Fakten sprechen für eine Fortsetzung der Aktienhausse: Während die US-Zinsen seit 2000 von etwa sechs auf nur noch etwa ein Prozent gefallen sind, ist die größte Volkswirtschaft der Welt um 60 Prozent gewachsen. Die Gewinne der 500 größten US-Unternehmen haben sich mehr als verdoppelt. Im Jahr 2000 war der Markt mit dem 30-fachen des Jahresgewinnes bewertet, aktuell liegt die Bewertung nur noch beim 14-fachen.

So wie vor 13 Jahren bestimmen auch heute US-Firmen unseren Konsumalltag. Ob wir zur Esso-Tankstelle von Exxon fahren oder am PC mit Microsoft-Windows arbeiten, mit einem iPhone von Apple telefonieren und Ariel oder Duracell-Batterien von Procter & Gamble verwenden, die US-Konzerne verdienen an unseren Konsumgewohnheiten.

Vor einigen Wochen überraschte mich ein geschätzter Fondsmanager mit einer etwas anderen Sichtweise. Nach einem längeren US-Aufenthalt ist er der Ansicht, dass das Land vor einer gigantischen Reindustrialisierung stehe. Die Belebung gehe nicht vom Konsum aus. Vielmehr werde der Schub durch die dringend notwendigen Investitionen in Infrastruktur erfolgen. Der Impuls dazu komme von den günstigen Energiekosten, die US-Industrieunternehmen auf Jahre hinaus einen enormen Wettbewerbsvorteil vor der ausländischen Konkurrenz verschaffen.

Die Daten sind beeindruckend, denn während der Gaspreis in den USA bei drei bis vier Dollar liege, koste Gas beispielsweise in China mehr als das Dreifache. Energieintensive Industriewerke, die von US-Unternehmen in den vergangenen beiden Jahrzehnten verstärkt in China aufgebaut wurden, werden künftig eher im eigenen Land gebaut.

Der angenehme Nebeneffekt sei, dass die US-Unternehmen dadurch enorme Transportkosten sparen könnten. Der Bau von Pipelines, Gas-Kraftwerken, Investitionen in petrochemische Unternehmen sowie in Straßen-, Schienen- und Stromnetze seien ein gigantisches Konjunkturprogramm, so der Fondsmanager.

Als Anleger würde ich dennoch nicht direkt in US-Unternehmen im Bereich Infrastrukturinvestieren. Streuung bleibt wichtig, auch die klassischen Blue Chips aus den USA sind zu berücksichtigen. Aktuell würde ich – trotz der guten Aussichten in den USA – europäische Aktien übergewichten. Europa ist analytisch preiswerter, und wenn die Leitbörse in den USA nicht einbricht, dann sollte auch Europa trotz der Schuldenprobleme gut laufen.

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