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Weniger dramatisch als meist dargestellt Was Anleger über den Aktiencrash von 1929 wissen sollten

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Nach der blauen Dow-Jones-Kurve, deren Zahleneffekte bis zum heutigen Tag von der Mehrzahl der selbsternannten Experten verbreitet werden, war die endgültige Erholung des US-Aktienmarktes erst im November 1954 abgeschlossen.

Dass es ab April 1937 zu einem vorrübergehenden Abschwung kam, der erst Anfang 1945 wieder vollständig aufgeholt war, hat nichts mit der Great Depression zu tun, sondern mit einer falschen geldpolitischen Entscheidung der US-Zentralbank 1937, auf die dann fast sogleich der Beginn des zweiten Weltkriegs folgte, ein weiteres separates Ereignis. Der nachfolgende Abschwung muss dementsprechend getrennt vom Great Depression Crash betrachtet werden. Aber so oder so überwand der US-Aktienmarkt den Stand von September 1929 ganz endgültig im Februar 1945 und nicht im November 1954, wie immer wieder behauptet wird.

Im Übrigen erfolgte der besagte Abschwung nach 1936 nur im US-Aktienmarkt, nicht jedoch im globalen Aktienmarkt, wie wir nachfolgend sehen werden.

Fehler 3: die Gleichsetzung des US-Aktienmarktes mit dem Weltaktienmarkt

Wenn wir heutzutage von einem schweren Aktienmarkt-Crash reden, dann nehmen wir – wie selbstverständlich – Bezug auf den globalen Markt, nicht den Aktienmarkt einer bestimmten Region wie Nordamerika oder Europa, oder eines bestimmen einzelnen Landes, sei das nun Deutschland, Großbritannien, Japan oder die USA. (Der US-Aktienmarkt machte 1929 etwa 40 Prozent des Weltaktienmarktes aus.) Außerdem hat jeder Aktienanleger damals wie heute grundsätzlich die Möglichkeit weltweit anzulegen.

Der Grundgedanke global ist repräsentativer als national oder regional ist korrekt. Kein vernünftiger Betrachter würde ihn heute ernsthaft bestreiten. Warum wenden wir ihn dann nicht auf den Crash 1929 an? Dass in den Finanzmedien in Bezug auf den 1929er Crash bis heute praktisch ausschließlich auf den US-Aktienmarkt, statt auf den globalen Markt geblickt wird, hängt auch mit Datenverfügbarkeitsgründen zusammen. US-Aktienmarktdaten, die bis 1929 (und noch einige Jahre weiter zurück) reichen, sind im Internet überall in fertig aufbereiteter Form bequem und kostenlos verfügbar.

 

Deswegen, und weil wir anscheinend alle bereitwillig die letztlich falsche These glauben, der US-Kapitalmarkt sei irgendwie grundsätzlich repräsentativ für den globalen Aktienmarkt oder gar einen anderen nationalen Aktienmarkt, werden von Journalisten und Buchautoren häufig historische US-Aktienmarktdaten verwendet, wenn eigentlich Daten des globalen Aktienmarktes viel angemessener und aussagekräftiger wären.

Für den Weltaktienmarkt existieren für die Zeit vor 1970 allerdings nur Jahresrenditen – keine Monatsrenditen wie für den US-Aktienmarkt. Diese Jahresrenditen sind im Internet außerdem weniger einfach zu finden und sind auch nicht kostenlos verfügbar. Das macht die Aufgabe, den 1929er Aktien-Crash für den globalen Markt korrekt berechnen, zwar etwas diffiziler, aber nicht unmöglich.

Auf der Basis von Jahresrenditen für den globalen Aktienmarkt ergibt sich folgende Sachlage: An jedem Jahresende von 1929 bis 1944 lag der globale Aktienmarktindex ausgehend vom Peak Ende 1928 und in Dollar gerechnet gleich hoch wie oder höher als der entsprechende US-Aktien-Index. Das veranschaulicht Abbildung 2.

Abbildung 2: Entwicklung der Jahresend-Indexstände des US-Aktienmarktes und des globalen Aktienmarktes von 1928 bis 1945 (18 Jahre) – reale Renditen in US-Dollar (logarithmische vertikale Skala)

MDD = Maximaler Drawdown = maximaler kumulativer (Buch-)Verlust im Betrachtungszeitraum. Gesamtrenditen inklusive Dividenden. Ohne Steuern und Kosten.

Daten: Dimson/Marsh/Staunton – Morningstar

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Während der US-Aktienmarkt den Vor-Crash-Stand von Ende 1928 auf der Basis von Jahresdaten erst wieder Ende 1936 erreichte, tat der globale Aktienmarkt das bereits ein Jahr früher, Ende 1935. Ab 1936 bewegte sich der globale Markt renditemäßig bis 1944 über dem US-Markt.

Zwischenfazit: Legt man den globalen Aktienmarkt zugrunde, war der MDD 1931/1932 weniger tief und die Erholung schneller als im US-Aktienmarkt.

Fehler 4: Das Ignorieren von Wechselkurseffekten

Die Renditen eines einzelnen Wertpapiers oder eines ganzen Marktes lassen sich in unterschiedlichen Währungen kalkulieren – eine banale Feststellung. Über Zeiträume bis etwa 15 Jahre werden die realen und noch mehr die nominalen Renditen ein und desselben Einzelwertes oder Aktienindexes in unterschiedlichen Währungen häufig stark voneinander abweichen. (Das sehen wir auch dieses Jahr, 2022, für den MSCI World Index wie die am Anfang dieses Artikels genannten Renditen in Euro und USD unterstreichen.)

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