Weniger dramatisch als meist dargestellt Was Anleger über den Aktiencrash von 1929 wissen sollten
Der reale Goldpreis in USD sackte ab Februar 1980 ab und sank immer weiter über 21 lange Jahre bis 2001 auf einen MDD von 83 Prozent. In realen Zahlen hat Gold bis heute nach über 42 Jahren seinen Spitzenpreis von Anfang 1980 noch nicht wieder erreicht.
In seiner kurzen Existenz seit 2009 ist Bitcoin sechsmal (!) neu um 50 Prozent oder mehr abgesackt (in USD). Am 30. September 2022 stand die Kryptowährung fast 70 Prozent unter ihrem vorherigen Peak vor elf Monaten.
Fazit
Dieser Artikel sollte zeigen, dass die die immer wieder verbreiteten Angstzahlen zum „Horror-Crash“ von 1929 – ein maximaler Drawdown von 89 Prozent im Juni 1932 und danach 25 Jahre bis zur vollständigen Erholung – irreführend und letztlich falsch sind. Schon die Beseitigung oder Vermeidung zweier ganz simpler Fehler mildert den tatsächlichen MDD auf 79 Prozent und verkürzt die Erholungsphase von 25 auf sieben Jahre.
Geht man noch zwei analytische Schritte weiter – sprich analysiert den globalen, statt nur den US-Aktienmarkt und rechnet zur Abwechslung einmal nicht nur in US-Dollar – dann verbessern sich die besagten Werte weiter und in beträchtlichem Ausmaß. Bleibt die Frage, warum die Finanzbranche – Banken, Vermögensverwalter, Anlageberater – wie auch das Gros der Finanzjournalisten und Finanzblogger wenig tun, um die übertriebene Schreckensstory über den 1929er Crash richtigzustellen.
Das dürfte zwei Gründe haben. Grund Nummer 1 betrifft die Finanzbranche. Sie tut deswegen so gut wie nichts zur Korrektur der Legende vom Horror-Crash, weil die Vorstellung eines Mega-Crashs für sie geschäftsfördernd ist. Vertreter der Finanzbranche erzählen ihren Kunden sehr gerne „Lieber Anleger, schau wie schlimm es 1929 war! Wenn Du trotzdem in Aktien – die langfristig ertragreichste aller Asset-Klassen investieren willst – dann brauchst Du dazu Experten wie uns. Wir können Dich mit unserem aktiv gemanagten Finanzprodukt ABC (oder unserer aktiven Anlagestrategie XYZ) vor einem Desaster wie 1929 schützen.“
Grund Nummer 2 betrifft Finanzjournalisten und Finanzblogger. Sie können mit dem immer neuen Erzählen der Horror-Crash-Legende 1929 Auflage und Klickzahlen machen. Bad News, Schockgeschichten und Panikmache verkaufen sich halt nun einmal am besten.
Natürlich wird es auch in Zukunft schwere Aktien-Crashes geben. Das allgemeine Grundmuster solcher Abstürze, das sich aus den umfangreichen historischen Erfahrungen ableiten lässt, sieht ungefähr so aus: (a) Im Weltaktienmarkt erfolgt ein Einbruch in der Größenordnung von zwischen 40 Prozent und 60 Prozent, der sich über ein bis drei Jahre hinzieht. (b) Daran schließt sich für Buy-and-Hold-Anleger eine langsamere (in Realzeit erratisch und unsicher erscheinende) Erholungsphase an, die zwischen einem und sechs Jahren dauert. Der Great Depression-Crash, sofern man ihn korrekt berechnet, passt in dieses Grundmuster.
Keine andere Asset-Klasse produziert langfristig höhere Renditen als Aktien. Diese Renditen sind primär Risikoprämien – die Belohnung für das Tragen von Asset-Klassen-Risiko. Asset-Klassen-Risiko bei Aktien besteht in erster Linie aus allgemeinem Volatilitätsrisiko und aus Crash-Risiko (Drawdown-Risiko).
Wer in ein global diversifiziertes Aktienportfolio auf Buy-and-Hold-Basis investiert, kann auf der Basis der Erfahrung aus den vergangenen 250 Jahren mit unzähligen Krisen, die genauso schwer oder schwerer waren als die aktuelle, nahezu sicher erwarten, diese Renditen für sich zu ernten – trotz und wegen dieser Crashes. Um mit Aktien-Crash-Risiko mental und liquiditätsmäßig kompetent umgehen zu können, ist ein korrektes Wissen der Aktienmarktgeschichte hilfreich. Dazu wollten wir mit diesem Artikel beitragen.
Über die Autoren:
Gerd Kommer ist Chef der Münchner Honorar-Finanzanlagenberatung Gerd Kommer Invest. Vor Gründung der eigenen Firma war Kommer rund 24 Jahre im Firmenkunden-Kreditgeschäft und Asset Management verschiedener Banken tätig.
Felix Großmann ist Finanzberater bei Gerd Kommer Invest. Zuvor war er als Data Analyst bei einem großen internationalen Mobilitätsdienstleister tätig.