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KI in der Medizin Die Wirkstoffforschung wird immer digitaler

Was ist im Medikament enthalten? Die Gesundheitswirtschaft mit den Bereichen Wirkstoffforschung und Medizintechnik ist als herausragender Wirtschaftsfaktor eines der weltweit großen Wachstumsfelder.
Was ist im Medikament enthalten? Die Gesundheitswirtschaft mit den Bereichen Wirkstoffforschung und Medizintechnik ist als herausragender Wirtschaftsfaktor eines der weltweit großen Wachstumsfelder. | Foto: Imago Images / Westend61
Euan Ker, Aegon AM

Die Entdeckung von Arzneimitteln hat sich zu einem immens umfangreichen Forschungsgebiet entwickelt. Gelöst werden die Aufgaben durch hochkomplexe, zeitaufwendige, kostenintensive und multidisziplinäre Prozesse, die von einer Vielzahl von lokalen, nationalen und internationalen Institutionen durchgeführt werden.

Wachsende Bedeutung der Gensequenzierung

Die Entdeckung und Entwicklung von Arzneimitteln hat sich grundlegend verändert. Wurden früher bekannte, natürlich vorkommende Toxine (zum Beispiel in Pilzen und Pflanzen) versuchsweise gegen Krankheiten eingesetzt, bis eine therapeutische Wirkung beobachtet wurde, wird die Biologie heute immer digitaler, weil die Kosten für die Gensequenzierung rapide sinken.

Große Mengen an maschinenlesbaren Daten bieten die Möglichkeit, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Aber sie sind auch eine gewaltige Herausforderung, da die Ableitung neuer Erkenntnisse mit den ständig wachsenden Datenmengen immer komplexer wird. Außerdem wird es immer schwieriger, einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Entwicklungen in benachbarten Forschungsbereichen zu behalten – was bei der kreativen Entwicklung von Wirkstoffen oft von Nutzen sein kann. Jüngste Studien haben diese Herausforderung hervorgehoben und zeigen auf, dass fast 80 Prozent der medizinischen Daten nach ihrer Erstellung unstrukturiert und ungenutzt bleiben.

Die Rolle von KI in der Arzneimittelforschung nimmt zu

Kann künstliche Intelligenz, die auf anderen Märkten wie Cloud Computing und Cybersicherheit erhebliche Fortschritte erzielt hat, auch in der Wirkstoffforschung eine wertvolle Rolle spielen? 

Theoretisch sind die Entdeckung und Entwicklung von Arzneimitteln genau die Art von Aufgaben, die sich gut für den Einsatz intelligenter Automatisierung eignen. So gibt es beispielsweise etwa 1.060 mögliche Kombinationen von Wirkstoffmolekülen, was ein attraktives Optimierungsproblem für künstliche Intelligenz darstellt. KI kann so trainiert werden, dass sie potenzielle Leitverbindungen erkennt und die Validierung des Wirkstoffziels und des Aufbaus der Wirkstoffstruktur übernimmt.

Ein Beispiel: Die Leistungsfähigkeit von KI wird durch die Tatsache veranschaulicht, dass ein Forscherteam von BenevolentAI in nur vier Tagen Baricitinib als potenzielles Covid-19-Medikament identifizierte. Auch ein Medikament von Eli Lilly, das normalerweise zur Behandlung von rheumatoider Arthritis eingesetzt wird, ist in der Lage, sowohl das Covid-19-Virus als auch die Entzündungsreaktion des Körpers auf dieses Virus zu bekämpfen. Es war das erste Mal, dass mittels künstlicher Intelligenz ein bereits verfügbares Medikament entdeckt wurde, um damit gegen eine neue Krankheit anzugehen.

Viele Unternehmen haben den greifbaren Nutzen der intelligenten Automatisierung erkannt und machen sich diese zunutze. So verfügte der Pharmakonzern Pfizer noch im Jahr 2020 nicht über die Mittel, um eine seiner Datenbanken mit Daten zu 4,5 Milliarden im Handel erhältlichen Wirkstoffen automatisch zu durchsuchen. Jetzt kann das Unternehmen die gesamte Datenbank innerhalb von 48 Stunden screenen, was die Identifizierung potenzieller neuer Medikamente erheblich beschleunigt.

Nach Angaben des Analysehauses Deep Knowledge Analytics gibt es weltweit mehr als 170 KI-gestützte Forschungs- und Entwicklungsunternehmen (F&E) und 35 große F&E-Zentren, die KI einsetzen. Eine Deloitte-Umfrage aus dem Jahr 2019 belegt, dass mehr als 40 Prozent der Start-ups in der Arzneimittelforschung KI nutzen, um chemische Datenbanken nach potenziellen Arzneimittelkandidaten zu durchsuchen, 28 Prozent nutzen KI, um neue Moleküle zu finden, und 17 Prozent nutzen sie für computergestütztes Moleküldesign. Miraz Rahman, Professor für medizinische Chemie am King‘s College London, geht davon aus, dass innerhalb des nächsten Jahrzehnts alle großen Pharmaunternehmen KI in die Arzneimittelforschung integriert haben werden.

Sicherheitsaspekte? Sind streng zu berücksichtigen

Wichtig ist allerdings, dass in Forschungskreisen kaum die Erwartung besteht, dass KI menschliches Fachwissen ersetzt. Vielmehr wird KI als eine Möglichkeit gesehen, das Wissen und die Expertise zu verbessern. Fachexperten seien weiterhin entscheidend für die Definition von Daten für die KI-Analyse und für die Überprüfung und End-to-End-Verifizierung der Ergebnisse.

Nicht von der Hand zu weisen ist übrigens, dass KI, wie jedes leistungsfähige Werkzeug, für illegitime Zwecke eingesetzt werden kann, wenn sie nicht kontrolliert wird. In einer kürzlich durchgeführten Demonstration wurde ein KI-Modell mit einer Reihe von Molekülen trainiert und mit der Aufgabe betraut, zu berechnen, wie sich Moleküle so verändern lassen, dass sie zunehmend giftiger werden. Das Ergebnis war beunruhigend: Innerhalb weniger Stunden hatte das Modell über 40.000 potenziell schädliche Moleküle vorgeschlagen.

Die Entdeckung von Arzneimitteln ist nur eine Phase in dem umfassenderen Prozess der Zulassung neuer Medikamente. Wie bei der Entdeckung gibt es auch bei anderen Teilen der Arzneimittelentwicklung bestimmte Ineffizienzen, die verbessert werden könnten. So wird die Gensequenzierung in Bezug auf Geschwindigkeit, Genauigkeit und Kosten immer weiter optimiert. Illumina ist der dominierende Akteur in der Branche, doch auch Newcomer wie Oxford Nanopore treiben die Innovation weiter voran. Bedeutende Fortschritte stellen sich etwa bei der Zellmanipulation ein, die von Unternehmen wie Berkeley Lights vorangetrieben wird. Genmab hat ebenfalls hervorragende Fortschritte im Bereich des Antikörper-Screenings erzielt. Auftragsforschungsinstitute (Clinical Research Organisations, CROs) wie Icon schließlich ermöglichen es großen Pharmaunternehmen, einen Teil ihrer komplexen Arbeit auszulagern und sich auf einzelne Forschungsaufgaben zu konzentrieren. Letztlich sorgt jeder Teil der Wertschöpfungskette für Verbesserungen und trägt zur erfolgreichen Lösung großer Aufgaben bei.

Die Wirkstoffforschung ist nach wie vor ein wichtiger Teil des gesamten Entwicklungsprozesses von Arzneimitteln, der sich gut für die Automatisierung eignet. Mit dem richtigen Gleichgewicht zwischen Mensch und Maschine und entsprechenden Kontrollen zur Sicherstellung der strikten Einhaltung der Aufgabenstellung dürfte die KI eine immer bedeutendere Rolle bei der Entdeckung neuer Medikamente spielen. Die Zukunft der Arzneimittelforschung sieht gesund aus – Hippokrates wäre stolz darauf, wie weit wir gekommen sind.

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