LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in Recht & SteuernLesedauer: 6 Minuten

„Die Zypernhilfe verstößt gegen den ESM-Vertrag“

Seite 2 / 2


Zypernkrise stellt kein Systemrisiko dar

Zypern ist vielmehr angesichts seiner eigenen Wirtschaftskraft, aber auch angesichts der Größenordnung der in seinem Bankensystem vorhandenen Risiken ein Paradebeispiel dafür, dass ein systemisches Risiko nicht gegeben ist.

Wäre die These von der systemischen Relevanz Zyperns zutreffend, dann wäre Artikel 12 ESM-Vertrag, der die systemische Relevanz zur Voraussetzung von ESM-Hilfen macht, irreführend. Dann müssten die Vertragsstaaten sich vorwerfen lassen, mit dieser Vorschrift die Öffentlichkeit und auch den Gerichtshof der Europäischen Union getäuscht zu haben.

Die Vorschrift setzt voraus, dass es Fälle gibt, in denen ein Euro-Staat von Zahlungsunfähigkeit bedroht ist, aber dennoch die Finanzstabilität der Eurozone insgesamt nicht gefährdet ist. Die Argumentation von Kommission und EZB läuft aber darauf hinaus, dass es solche Fälle nicht geben kann, weil die Zahlungsunfähigkeit eines einzelnen Euro-Staates wegen der psychologischen Folgewirkungen immer auch die Finanzstabilität der Eurozone im Ganzen destabilisieren würde.

Ein Vertrag aber darf nicht so auslegt werden, dass seine Vorschriften ihren Anwendungsbereich verlieren. Eine Auslegung des Artikels 12 ESM-Vertrag, bei der die einschränkende Voraussetzung in jedem Fall erfüllt ist, verbietet sich daher.

Bundestag darf nur noch abnicken

Das Papier von Kommission und EZB, dessen Inhalt die Bundesregierung sich zu eigen gemacht hat, ist eine Provokation des Parlaments. Die Rettungspolitiker gerieren sich wie absolutistische Potentaten, die ohne jede Rechtsbindung handeln können und für die die Bestimmungen des ESM-Vertrages nichts als bedrucktes Papier sind. Sie vertrauen offenbar darauf, dass der Bundestag sich als Abnickparlament erweist, das alles schluckt, was ihm zur „Euro-Rettung“ vorgelegt wird.

Der Bundestag kann seiner vom Bundesverfassungsgericht geforderten Haushaltsverantwortung aber nur gerecht werden, wenn er nicht blindlings der Behauptung folgt, Zypern sei für die ganze Eurozone systemrelevant, sondern wenn er eine eigenverantwortliche Risikoabschätzung vornimmt.

Dies ist aber nur auf der Basis nachvollziehbaren Zahlenmaterials möglich. Der Bundestag muss daher darauf bestehen, vor seiner Entscheidung über die Zustimmung ein nachvollziehbares Zahlenwerk zu erhalten.

Rechtliche und politische Bedenken

Auch verfahrensrechtlich setzen sich die Zypern-Retter über den ESM-Vertrag hinweg. Der Vertrag sieht ein mehrstufiges Entscheidungsverfahren vor: Zuerst trifft der Gouverneursrat – nach Feststellung einer Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets und auf der Basis einer Schuldentragfähigkeitsanalyse – den Grundsatzbeschluss, dass dem betroffenen ESM-Mitglied Stabilitätshilfe gewährt werden soll.

Sodann werden die mit der Finanzhilfe verbundenen Auflagen – also insbesondere das Reformprogramm, mit dem die Finanzkrise überwunden werden soll – ausgehandelt und in einem Memorandum of Understanding (MoU) formuliert (Artikel 13 ESMV). Dieses bedarf wiederum der Zustimmung des Gouverneursrats.

Hinsichtlich der Zypernhilfe wurde hingegen das MoU bereits ausgehandelt, bevor der Gouverneursrat überhaupt beschlossen hat, Stabilitätshilfe zu gewähren. Der Grundsatzbeschluss und der Beschluss über das MoU sollen jetzt in einer einzigen Entscheidung getroffen werden. Diese Abweichung vom vorgeschriebenen Verfahren ist nicht belanglos. Insbesondere beeinträchtigt sie auf schwerwiegende Weise die Entscheidungsrechte des Bundestages.

Die Zweistufigkeit soll nämlich nicht nur unnötige Verhandlungen für den Fall ersparen, dass der Antrag auf Finanzhilfe abgelehnt wird. Sie soll vor allem auch die Entscheidungsfreiheit der Beteiligten absichern. Der Bundesfinanzminister darf im Gouverneursrat der Zypern-Hilfe nur zustimmen, nachdem der Bundestag diese Hilfe – nach Prüfung einer systemischen Gefahr für die Eurozone – grundsätzlich bejaht hat.

Wäre dem Bundestag korrekterweise zunächst die Grundsatzfrage der Hilfegewährung zur Entscheidung vorlegt worden und hätte der Bundestag dies abgelehnt, dann hätten die Verhandlungen über das MoU gar nicht beginnen können.

Nun aber werden dem Bundestag die Zustimmung zur Hilfe und zu den im MoU festgelegten Bedingungen gleichzeitig zur Entscheidung vorgelegt. Dadurch wird ein massiver Zustimmungsdruck aufgebaut: Kann man die Hilfe (mangels systemischer Relevanz Zyperns) noch ablehnen, wenn die Troika in monatelangen Verhandlungen sich mit Zypern bereits auf die Bedingungen dieser Hilfe geeinigt hat?

Auch hier zeigt sich, wie bedenkenlos die Rettungspolitiker das Recht missachten. Der Bundestag sollte sich das nicht gefallen lassen.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion