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betriebliche Altersversorgung (bAV) „Diese 3 Probleme der bAV müssen dringend korrigiert werden“

Schweißer in der Industrie
Schweißer in der Industrie: Die betriebliche Altersversorgung ergänzt die gesetzliche Rentenversicherung die private Vorsorge. Über ihre Zukunft entscheidet die jetzt neue Bundesregierung. | Foto: JonKline / Pixabay

Bei der betrieblichen Altersversorgung (bAV) verspricht der Arbeitgeber seinem Beschäftigten, eine bestimmte Geldleistung zu zahlen, wenn dieser zum Beispiel das Rentenalter erreicht oder vorher berufsunfähig wird. Seit 19 Jahren haben Arbeitnehmer in Deutschland einen Rechtsanspruch auf eine bAV per sogenannter Entgeltumwandlung. Das heißt, dass für denjenigen Teil des Gehalts weder Einkommensteuer noch Sozialabgaben anfallen, der für den Ruhestand zurückgelegt wird. 

Klaus Müller, VZBV

Trotz dieser Vorteile für den Mitarbeiter ist die bAV hierzulande noch nicht sehr weit verbreitet. Das gilt zwar nicht für die großen Unternehmen und Konzerne mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Doch im Mittelstand ist die sogenannte bAV-Verbreitungsquote wesentlich geringer. Sie misst den Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die eine bAV besitzen. Im Jahr 2019 besaßen etwa 53,9 Prozent dieser Arbeitnehmer eine aktive bAV-Anwartschaft, berichtet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

„Abseits der unzureichenden Verbreitung gibt es für Verbraucher eine Reihe schwerwiegender Probleme, die eine bAV häufig unattraktiv machen“, heißt es aktuell vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Ziel sei es, die „arbeitnehmerfinanzierte bAV zu einer tragenden Säule der Alterssicherung in Deutschland zu machen“. Doch dazu seien laut einem aktuellen Positionspapier Reformen in mindestens drei Themenbereichen notwendig:

  • bei der sozialabgabenfreien Entgeltumwandlung,
  • bei der eingeschränkten Portabilität und
  • beim Versicherungsmantel.

Sozialabgabenfreie Entgeltumwandlung

„Vom Finanzvertrieb wird die betriebliche Entgeltumwandlung häufig als lukrative Form der Altersvorsorge dargestellt, da auf Beitragszahlungen zunächst keine Sozialabgaben und auch keine Steuern anfallen“, kritisiert VZBV-Chef Klaus Müller. Doch für die Verbraucher habe dies zwei große Nachteile: Die Betriebsrente ist beim Rentenbezug zu versteuern, sodass die heute eingesparten Steuern lediglich für morgen gestundet werden. Und gesamtgesellschaftlich werde das Sozialsystem „unnötig geschwächt“.

Ähnlich kritisch sehen die Berliner Verbraucherschützer, dass Arbeitgeber seit 2019 bAV-Neuverträge mit 15 Prozent des Betrages der Entgeltumwandlung bezuschussen müssen, was ab dem kommenden Jahr auch für Altverträge gilt. „Durch die geringeren Sozialabgaben werden künftige Auszahlungen aus der gesetzlichen Rente für Verbraucher reduziert“, mahnt Müller. „Eine ergänzende betriebliche Altersversorgung, die dazu führt, die gesetzliche Rente zu schwächen, ist nicht sinnvoll.“

Eingeschränkte Portabilität der bAV

Als potenzielles Problem der Betriebsrente gilt auch, dass der jeweilige Arbeitgeber Vertragspartner des bAV-Anbieters wird. Somit könnten die Arbeitnehmer nach einem Stellenwechsel ihre über die Jahre gesammelten Ansprüche nicht so einfach mitnehmen. „Verbraucher können allenfalls den Rückkaufswert des alten Vertrages auf den Anbieter beim neuen Arbeitgeber übertragen.“ Ein Nutznießer sei „der Finanzvertrieb, der nur durch Neuabschlüsse Provisionserträge generieren kann.“

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Versicherungsmantel für Betriebsrente

Ein weiteres Feindbild des Verbands sind Lebensversicherungen, sodass er aus aktuellem Anlass erwartungsgemäß wiederholt: „Kapitalbildende Versicherungen haben eine Reihe von Schwächen, die sie für die private wie betriebliche Zusatzvorsorge ungeeignet machen.“ Und auch bei der Betriebsrente gebe es „Angebote, bei denen bereits zu Beginn erhebliche Abschlusskosten anfallen, die zum großen Teil als Provision an den Vertrieb fließen“, warnt Müller. 

Denn: „Diese Kostenvorauszahlung führt dazu, dass zu Beginn der Vertragslaufzeit große Teile des eingezahlten Kapitals gar nicht als Kapital im Vertrag landen.“ Wenn all diese Probleme der bAV behoben seien, könne die bAV laut VZBV künftig jedoch durchaus eine größere Rolle spielen. Und zwar „im Rahmen der Reform der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge mit der Einführung eines öffentlich-rechtlich organisierten Vorsorgefonds analog oder in Kombination mit der privaten Altersvorsorge“.

Das klassische Modell der Lebensversicherung mit Garantiezins habe hingegen ausgedient. „Die Ursachen für schlechte Renditen liegen im System der Versicherung selbst“, steht für Müller fest. Und weiter: „Die Vermeidung von Volatilität aus bilanziellen Gründen führt dazu, dass überwiegend in festverzinsliche Rentenpapiere investiert wird. Die Anlage in Anleihen ist bei langfristigen Anlagen zu wenig rentierlich und zusätzlich gegenüber Aktien mit höheren Risiken belastet.“ 

Auch das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS) sieht dringenden Handlungsbedarf: Die in der bAV verbreitete „Beitragszusage mit Mindestleistung“ (BZML) stehe angesichts der anhaltenden Niedrigzinsen ohne eine Reform vor dem Aus. „Denn ab einem Rechnungszins von 0,5 Prozent oder weniger ist die bislang verpflichtende 100-prozentige Beitragsgarantie faktisch nicht mehr darstellbar“, sagt IVS-Chef Friedemann Lucius.

Der Versicherungsmathematiker appelliert an die Politik, im Rahmen der angekündigten Reform der Riester-Rente „auch die BZML aus ihrem Korsett zu befreien“. Denn: „Ansonsten werden spätestens ab 2022 zahlreiche Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds gezwungen, die BZML für neue Verträge zu schließen.“ Die Aufsichtsbehörde Bafin will neue Tarife von Pensionskassen nicht mehr unbefristet genehmigen, die Rechnungszinsen von mehr als 0,25 Prozent vorsehen.

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