Giulio Renzi-Ricci und Lorand Soha im Gespräch Diese Chancen bieten Aktien, Anleihen und Multi-Asset-Fonds 2022
Wie gehen Sie bei der Auswahl der Anleihen vor?
Renzi-Ricci: Der Kern eines guten aktiven Anleihefonds ist aus unserer Sicht verlässliches risikobereinigtes Alpha. Wenn wir also eine aktive Überzeugung zum Ausdruck bringen, denken wir zuerst an das Risiko und an die Strategie. Um Renditen zu erwirtschaften, verlassen wir uns bei unseren aktiven Anleihestrategien nicht auf konzentrierte oder korrelierte Risikopositionen, sondern streben hohe Information Ratios an. Wir suchen also die Anleihen, die im Verhältnis zu ihrem Risiko die besten aktiven Renditen bieten.
Beispielsweise analysiert unser Global Credit Research Team Anleihen mit attraktiven zukunftsorientierten Fundamentaldaten und nutzt dafür mitunter interne Kredit-Ratings und ESG-Risikoinformationen. Unsere Analysten filtern sowohl langfristige als auch ereignis- oder bewertungsabhängige Anlagemöglichkeiten heraus. Somit lassen sich auch in schwierigen Situationen Potenziale identifizieren.
Geben Sie uns bitte einmal ein Beispiel.
Renzi-Ricci: Gerne. Wir haben im Jahr 2020 – gerade als die Corona-Krise den Reise- und Tourismussektor erfasste – die Anleihen eines Transportunternehmens gekauft. Der Markt war damals skeptisch, wir erkannten jedoch den fundamentalen Wert des Unternehmens. In diesem Jahr haben wir mit der Anleihe Gewinne erzielt und sie nach deutlichen Mehrrenditen gegenüber der Benchmark wieder verkauft. Geduld, Umsicht und intelligentes Risikoverhalten sind prägend für unsere Philosophie.
Unsere Anleihe-Fondsmanager müssen für jedes Segment der globalen Rentenmärkte die passende Strategie auswählen, denn nur so können sie die Risiken verschiedener Assetklassen richtig steuern. Bei Unternehmensanleihen achten wir zum Beispiel nicht nur auf beständige Renditen, sondern streben auch risikoarme Investment-Grade-Positionen an, die in einem volatilen Marktumfeld Aktienrisiken diversifizieren sollen.
Besonders wichtig in unserem Anlageprozess ist Liquidität. Alpha anzustreben bedeutet nicht, Liquidität aufzugeben. Wir streben Flexibilität und beständige Ergebnisse an, aber machen in Sachen Liquidität keine Kompromisse.
Welche anderen Assets sollten Anleger aktuell in ihrem Depot haben?
Soha: Die Asset Allocation sollte grundsätzlich auf die Ziele der Anleger zugeschnitten sein und auf realistischen Erwartungen hinsichtlich Risiko und Ertrag aufbauen. Gerade in einem volatilen und unvorhersehbaren Marktumfeld ist es umso wichtiger, mithilfe breiter Diversifikation unnötige Risiken zu vermeiden. Dementsprechend sollten Anleger in ihrem Portfolio nicht nur grundsätzlich auf breit streuende Fonds setzen, sondern auch auf einen Mix aus Anleihen und Aktien.
Können Sie uns konkrete Zahlen geben?
Soha: Wer 40 Prozent Aktien und 60 Prozent Anleihen im Portfolio hat, der hätte in der Vergangenheit den höchsten Jahresverlust auf rund 26 Prozent reduziert. Das zeigt unsere Analyse. Deshalb ist es so wichtig, das Portfolio auf die Risikoneigung der Kunden abzustimmen. Dafür sind Multi-Asset-Portfolios besonders gut geeignet. Multi-Asset-ETFs im Speziellen weisen hier ein paar Vorteile auf. Denn aufgrund der fixen Gewichtung zwischen Aktien und Anleihen können sich Anleger darauf verlassen, dass das Risikoprofil auch so bleibt und sie bieten einen Kostenvorteil, der sich in der Regel langfristig positiv auf die Ertragschancen auswirkt.
Über die Interviewten:
Giulio Renzi-Ricci arbeitet seit mehr als 5 Jahren für das Fondshaus Vanguard. Hier leitet er seit November 2021 die Asset Allocation in Europa.
Lorand Soha ist seit Januar 2019 als Vertriebsexperte für Vanguard in Deutschland und Österreich tätig. Zuvor arbeitete er fast 9 Jahre lang als Asset Manager bei DWS.