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Broker-Chef über Inflationsangst Diese Folgen hat der Preisdruck für Tech-Aktien

Federal Reserve in Washington
Federal Reserve in Washington: Umfangreiche Anleihekäufe der Notenbank befeuern Ängste vor einer zu lockeren Geldpolitik | Foto: Imago Images / Xinhua

Am Finanzmarkt hängt bekanntlich alles mit allem zusammen. Wird an einer Schraube gedreht, hat dies Auswirkungen an anderen Stellen und Finanzprodukten. Selten läuft dies so, wie es die Theorie lehrt. Doch Anfang des Monats war es soweit: Inflationsangst trieb die Renditen von US-Staatsanleihen – worauf Aktien weltweit in die Knie gingen, allen voran amerikanische Tech-Papiere. Der wichtigste Satz der US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit überschritt zeitweise 1,6 Prozent und pendelte sich leicht darunter ein  deutlich mehr als vor zwei Monaten. Da Inflation jedoch die reale Verzinsung mindert, trennten sich wiederum viele Inhaber der Anleihen von den Papieren.

Diese Gemengelage hatte Auswirkungen rund um den Globus:

  • Die Nachfrage nach kürzer laufenden US-Papieren brach ein
  • Die Renditen deutscher Staatspapiere mit zehn Jahren Laufzeit stiegen im Wert – lagen aber immer noch im Minusbereich
  • Australische Papiere erlebten einen deutlichen Kursrutsch
  • Aus den Schwellenländern floss Kapital ab.
  • Zinslose Vermögensklassen wie Gold und Bitcoin waren plötzlich weniger attraktiv
  • Der US-Dollar notierte stärker gegenüber dem Euro und anderen Währungen

Eine unglaubliche Dynamik, einzig ausgelöst durch gestiegene Renditen der Bonds. Diese werfen nun ähnlich viel Erträge ab, wie die durchschnittliche Dividendenrendite der Aktien im US-Index S&P 500. Wo man nun sein Geld (halbwegs) sicher anlegt, all dies sortiert sich damit neu. Aktien – in die Millionen von Anlegern ihr Vermögen mangels Alternative gesteckt hatten – sind gerade nicht mehr alternativlos. Diese neue vorherrschende Meinung traf die Tech-Titel besonders hart, ausgedrückt durch ein Minus der Techbörse Nasdaq von 3,5 Prozent an nur einem Tag. Auch hier hatten die höheren Renditen der US-Bonds die Karten neu gemischt. Denn die stolzen Bewertungen der meisten Tech-Giganten basieren weniger auf einer aktuellen Dividende, sondern auf der Hoffnung, in der Zukunft enorme Erträge einzufahren.

Zinst man diese Erträge auf den heutigen Zeitpunkt ab, ist der Gegenwartswert aber mit dem nun höheren Rechnungszins deutlich niedriger. Obwohl sich also an den fundamentalen Daten der Firmen kein bisschen geändert hatte, schmolz die Berechnungsgrundlage dahin, nämlich der Zins. Die Effekte dieser Discounterd-Cash-Flow-Methode sind bei US-Wachstumstiteln besonders stark. Traditionelle Unternehmen, etwa Versorger oder Konsumgüterproduzenten, sind von diesem Mechanismus weniger betroffen. Banken wiederum gehören in diesem Klima ebenfalls zu den Gewinnern, da mit höheren Zinsen wieder mehr Spielraum für Zinsmargen entsteht.

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Reagiert die US-Notenbank darauf – etwa, indem sie US-Staatsanleihen aufkauft, um die Renditen im Zaum zu halten – befeuert dies wiederum Befürchtungen nach einer zu lockeren Geldpolitik, die die US-Wirtschaft überhitzen könnte und eben damit zu Inflation führt. Selten waren diese Abhängigkeiten so lehrbuchhaft zu beobachten. Denn gerade die Sorge vor einer Inflation führt tendenziell zu steigenden Renditen – die die Fed unter Kontrolle bekommen wollte. Ein Teufelskreis; vor allem wenn viel Geld im Markt ist wie jetzt, das die Investoren händeringend möglichst sicher anlegen wollen.

Trotzdem reiben sich Marktbeobachter die Augen, wie die Veränderung von nur wenigen Prozentpunkten solch ein Beben auslösen konnte. Schließlich sind 1,5 Prozent Rendite historisch betrachtet nicht viel. Und die Inflationssorgen drehen sich auch um vergleichsweise minimale Beträge von 2 bis 3 Prozent. Anleihen im Bestand erhalten jedoch in Amerika kaum und in Europa teils negative Renditen. Sie sind damit weniger attraktiv, wenn neue Papiere mit höheren Zinsen auf den Markt kommen.

Naheliegende Folge: Gerade Großinvestoren wollen sich von den Alt-Papieren trennen. Springt nun die Konjunktur in den USA wieder an – als Ergebnis der Unterstützungsprogramme und des raschen Impftempos mit einem Aufheben der behördlichen Einschränkungen – steigen auch die Renditen. Aktien, darunter besonders Tech-Papiere mit viel eingepreister Fantasie, geraten damit erneut unter Druck – zumindest theoretisch. Denn mittel- und langfristig zählen vor allem die fundamentalen Daten.

An Aktien führt kein Weg vorbei

Für Klaus Kaldemorgen, Fondsmanager bei der Deutsche-Bank-Tochter DWS, ist der Einbruch denn auch ein Zeichen normaler Marktbewegungen. Er sagte dem „Handelsblatt“: „Seit Jahresanfang sind die Aktienmärkte um 3 bis 4 Prozent gestiegen. Es wäre blauäugig zu erwarten, dass es in der zuletzt gesehenen Geschwindigkeit weiter nach oben geht. Die aktuellen Kursschwankungen sind unangenehm, ein Warnzeichen. Aber eine Trendumkehr sehe ich nicht. Es gibt eben nicht nur Sonnenschein.“ Im Großen und Ganzen ist Kaldemorgen daher optimistisch, Aktien sind für ihn nach wie vor erste Wahl: „US-Treasuries mögen für den einen oder anderen bei 1,5 Prozent wieder interessant sein. Aber Aktien bieten noch immer deutlich mehr Potenzial, zumal die Gewinne der US-Unternehmen deutlich stärker steigen dürften.“

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