Chefvolkswirt Thorsten Polleit
Diesen Schaden richtet der Euro an
Aktualisiert am 26.01.2022 - 13:19 Uhr
Thorsten Polleit ist Chefvolkswirt bei Degussa Goldhandel. Foto: Degussa Goldhandel
Der Euro gefährdet die gesellschaftliche und wirtschaftliche Freiheit, ist Thorsten Polleit überzeugt. Hier erklärt der Chefvolkswirt von Degussa Goldhandel, warum das so ist.
Eines ist in Abbildung 2b besonders gut zu erkennen: Seit dem Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 bis etwa zum Sommer 2018 stagnierte beziehungsweise schrumpfte die Bilanzsumme der Euro-Geschäftsbanken (durch Abbau von Bilanzpositionen). Allerdings hat die Ausweitung der EZB-Bilanzsumme den „Schrumpfungseffekt“ mehr als wettgemacht: Die EZB im Verbund mit den nationalen Euro-Zentralbanken sorgte für eine Ausweitung des Kreditangebots, vor allem durch Käufe von Staatsanleihen. Insgesamt ist dadurch die Bilanzsumme des gesamten Euro-Bankenapparates merklich angestiegen. Warum ist das geschehen?
Nun, seit der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise...
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Eines ist in Abbildung 2b besonders gut zu erkennen: Seit dem Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 bis etwa zum Sommer 2018 stagnierte beziehungsweise schrumpfte die Bilanzsumme der Euro-Geschäftsbanken (durch Abbau von Bilanzpositionen). Allerdings hat die Ausweitung der EZB-Bilanzsumme den „Schrumpfungseffekt“ mehr als wettgemacht: Die EZB im Verbund mit den nationalen Euro-Zentralbanken sorgte für eine Ausweitung des Kreditangebots, vor allem durch Käufe von Staatsanleihen. Insgesamt ist dadurch die Bilanzsumme des gesamten Euro-Bankenapparates merklich angestiegen. Warum ist das geschehen?
Nun, seit der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise funktioniert offensichtlich das Teilreservesystem nicht mehr ohne die aktive und fortgesetzte Unterstützung der EZB. Teilreserve heißt: Die Euro-Geschäftsbanken halten nur einen sehr geringen Betrag an Zentralbankgeld in der Kasse im Verhältnis zu ihren jederzeit fälligen Kundenverbindlichkeiten. Um die Verunsicherung der Finanzmarktakteure über mögliche Zahlungsausfälle bei Geschäftsbanken schon im Keim zu ersticken, hat die EZB eine Reihe von Maßnahmen ergriffen. Zum einen gewährt sie den Euro-Banken Direktkredite zu Konditionen, die die Banken im Kapitalmarkt nicht erzielen könnten.
Zum anderen hat die EZB den Finanzmarktakteuren quasi das Versprechen gegeben, dass sie im Notfall strauchelnden Banken und Staaten zur Seite springen und sie mit neuen Krediten und neuem Geld über Wasser halten wird. Kurzum: Mehr denn je ist die Funktionsweise des ungedeckten Euro-Geldsystems, das mit einer Teilreserve operiert, auf die Unterstützung durch die Zentralbank angewiesen. Die EZB hat damit de facto ein Sicherheitsnetz unter die Euro-Geschäftsbanken gespannt, dem die Finanzmarktakteure vertrauen; ansonsten wären die Euro-Finanzmärkte nicht derart beruhigt und ruhig gestellt, wie sie es derzeit sind.
Der überdimensionierte Euro-Bankenapparat, der zudem auch noch immer weiter anschwillt, lässt sich nicht so ohne weiteres „zurückbauen“. Der Grund dafür ist in der Struktur des ungedeckten Geldsystems zu finden. Die Kreditvergabe der Banken führt hier bekanntlich zu einer Ausweitung der Geldmenge, schlägt sich in einem Anwachsen der Bilanzaktiva und -passiva der Banken nieder. Und steigt die Geldmenge, steigen auch die Güterpreise (beziehungsweise sie fallen höher aus im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge nicht erhöht worden wäre). Werden hingegen Bankkredite zurückgezahlt, schrumpfen die Bankbilanzen: Auf der Aktivseite verringern sich die Kreditforderungen, auf der Passivseite nehmen die Giroguthaben ab. Eine Verringerung der Geldmenge würde tendenziell zu einem Abwärtsdruck auf die Güterpreise führen.
Was aber passiert, wenn es plötzlich zu einem Rückgang der Güterpreise auf breiter Front käme? In einem ungedeckten Geldsystem, in dem bisher die Kredit- und Geldmengen stark ausgeweitet wurden, wäre das durchaus problematisch: Aus Güterpreisinflation würde Güterpreisdeflation. Ein Absinken der Güterpreise würde die Gewinne der Unternehmen reduzieren und es ihnen erschweren, ihren Schuldendienst zu leisten.
Sinkende Löhne würden Immobilienbesitzer, die mit Krediten finanziert haben, unter Druck setzen. Banken würden notleidende Kredite und Kreditausfälle verbuchen, die sie vorsichtig(er) bei der Neukreditvergabe werden lassen. Und versiegt der Zufluss von neuen Bankkrediten und neuem Geld, ist die „große Krise“ da: Viele große Schuldner - allen voran Staaten und Banken - müssten die Hand heben, Bankrott anmelden.
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