Chefvolkswirt Thorsten Polleit
Diesen Schaden richtet der Euro an
Aktualisiert am 26.01.2022 - 13:19 Uhr
Thorsten Polleit ist Chefvolkswirt bei Degussa Goldhandel. Foto: Degussa Goldhandel
Der Euro gefährdet die gesellschaftliche und wirtschaftliche Freiheit, ist Thorsten Polleit überzeugt. Hier erklärt der Chefvolkswirt von Degussa Goldhandel, warum das so ist.
Eine solche Entwicklungstendenz bei der Herbeiführung des Geldmengenwachstums ist bereits erkennbar. Abbildung 3 zeigt die Staatsverschuldung im Euroraum in Prozent des Bruttoinlandsproduktes von 1995 bis 2020. In der ersten Phase von 1995 bis 2007 ging die Verschuldungsquote zurück. Gleichzeitig wuchs die Euro Geldmenge M3 stark an - vor allem getrieben durch die Kreditvergabe der Euro-Geschäftsbanken an Private.
In der zweiten Phase von 2008 bis 2014 stieg die Staatsschuldenquote stark an - weil die Staaten neue Schulden aufnahmen, um den Bankensektor in der Krise zu unterstützen. Diese Verschuldungszunahme wurde noch in erheblichem Maße im Kapitalmarkt platziert, führte also nicht...
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Eine solche Entwicklungstendenz bei der Herbeiführung des Geldmengenwachstums ist bereits erkennbar. Abbildung 3 zeigt die Staatsverschuldung im Euroraum in Prozent des Bruttoinlandsproduktes von 1995 bis 2020. In der ersten Phase von 1995 bis 2007 ging die Verschuldungsquote zurück. Gleichzeitig wuchs die Euro Geldmenge M3 stark an - vor allem getrieben durch die Kreditvergabe der Euro-Geschäftsbanken an Private.
In der zweiten Phase von 2008 bis 2014 stieg die Staatsschuldenquote stark an - weil die Staaten neue Schulden aufnahmen, um den Bankensektor in der Krise zu unterstützen. Diese Verschuldungszunahme wurde noch in erheblichem Maße im Kapitalmarkt platziert, führte also nicht zu einem Ansteigen der Euro-Geldmenge M3. Das Geldmengenwachstum ging sogar zunächst stark zurück, nahm erst wieder ab 2015 Fahrt auf, als sich die Bankkreditvergabe an die Privatwirtschaft erholte.
Mit dem politisch diktierten Lockdown und der Geldpolitik, die seither praktiziert wird, wurde die dritte Phase eingeleitet. Die Staaten verschulden sich stark, und die EZB kauft die neu ausgegebenen Schuldpapiere auf. Sie überweist dabei neues Geld an die Staaten, und diese überweisen das neue Geld auf die Konten der Empfänger (Begünstigten). Auf diese Weise steigen die für nachfragewirksame Käufe eingesetzten Geldmengen M1 beziehungsweise M3. Das erklärt auch, warum ab 2020 die Staatsschuldenquote und das Geldmengenwachstum gleichzeitig in die Höhe schnellen. Doch die „Rettung“ hat einen Preis: Die Verstaatlichungstendenzen von Wirtschaft und Gesellschaft, die Abkehr von dem wenigen, was von der freien Wirtschaft und Gesellschaft noch übrig ist, erfährt eine rasante Beschleunigung.
Die EZB wird große Kreditbeträge vergeben und/oder umfangreiche Anleihekäufe tätigen müssen, um die Geldmengenausdehnung auf dem politisch gewünschten Kurs zu halten. Die Staaten erhalten auf diese Weise viel neues Geld. Sie entscheiden, wer das neue Geld bekommt, welche Bevölkerungsgruppen, welche Firmen und Industrien - und welche nicht. Die Einkommenserzielung hängt dann weniger von der Marktleistung des Einzelnen ab, sondern von seiner vorhandenen oder nicht vorhandenen „Beliebtheit beim Staat“.
Gerade mit Blick auf die kollektivistischen-sozialistischen Umgestaltungsvorhaben, die sich hinter Begriffen wie „Großer Neustart“ und „Große Transformation“ verbergen, ist die Vereinnahmung der Geldproduktion durch die Politik und die Sonderinteressengruppen, die sie für ihre Zwecke einspannt, besonders gefährlich.
Nicht zuletzt, weil die Ausgabe von neuem Geld zur Finanzierung der Staatshaushalte der Erhebung einer „Inflationssteuer“ gleichkommt. Sie setzt nicht nur die Kaufkraft des Geldes herab. Der Zugriff auf die elektronische Notenpresse entbindet die Regierenden auch von der Pflicht, die ausdrückliche Zustimmung der Bürger und Parlamente zu Finanzierungsfragen einholen zu müssen.
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