Trends der Fondsbranche „Digitale Stärke im Vertrieb“
Virtueller Vertrieb und ESG
DAS INVESTMENT: Bitte nennen Sie 2-3 Trends im Fondsvertrieb 2021.
Florian Uleer: Nachhaltige, verantwortungsvolle Geldanlage ist der große, übergeordnete Trend im Asset Management. Denn bei der Beantwortung der Frage, ob ein Unternehmen auch in zehn Jahren noch gute Gewinne erzielen wird, werden Umwelt- und Sozialkriterien sowie Aspekte guter Unternehmensführung immer wichtiger. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung nochmals beschleunigt. Daher sind wir überzeugt, dass Unternehmen nur dann dauerhafte Wettbewerbsvorteile haben können, wenn sie bei ESG-Faktoren gut abschneiden. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Digitalisierung. Angesichts der Corona-Pandemie gilt es, den persönlichen Kontakt stärker um digitale Formate zu ergänzen, um die gewohnt hohe Service-Qualität für unsere Kunden auch weiterhin zu halten. Im Zuge dessen spielen unter anderem virtuelle Konferenzen, Webinare und sinnvolle Newsletter zunehmend eine Rolle. Diese Entwicklung war bereits in den vergangenen Monaten zu beobachten und wird sich 2021 fortsetzen.
Bitte nennen Sie 2-3 Anlagethemen Ihres Hauses, die 2021 besonders gefragt sein werden.
Uleer: Im Aktienbereich dürfte der Fokus auf Unternehmen liegen, die über langfristige Wettbewerbsvorteile verfügen und damit weitgehend unabhängig vom allgemeinen Marktumfeld wachsen können. Dafür gibt es drei gute Gründe: Erstens vermuten Anleger, dass große Reformen in den USA aufgrund der wohl weiterhin unterschiedlichen Mehrheiten in den beiden Kammern des US-Kongresses vorerst ausbleiben dürften. Zweitens dürfte ein mögliches neues Fiskalpaket in den USA aufgrund des Wahlergebnisses nun kleiner ausfallen. Und drittens sind eine stärkere Regulierung von Technologie-Unternehmen und Restriktionen im US-Gesundheitswesen unwahrscheinlicher geworden. Dies stützt Wachstumsaktien – zumal die US-Notenbank die Zinsen weiterhin niedrig halten dürfte. In den vergangenen Monaten hatten vorübergehend immer wieder auch Value-Aktien bei der Wertentwicklung die Nase vorn. Solche Phasen sind üblich, wie die Historie zeigt. Langfristig dürften sich jedoch qualitativ hochwertige, weniger zyklisch orientierte Wachstumswerte behaupten. Neben unseren Long-only-Portfolios, die auf steigende Kurse ausgerichtet sind, bilden Absolute- Return-Strategien einen weiteren Schwerpunkt. Diese können von steigenden und fallenden Kursen profitieren, sowohl im Aktien- als auch im Anleihenbereich. Das kommt dem Anlegerwunsch nach Investmentstrategien mit gedämpfter Volatilität entgegen, die in verschiedenen Marktphasen positive Renditen erwirtschaften können. Zudem bilden nachhaltige Anlagestrategien einen Schwerpunkt, sowohl im Aktien- als auch im Anleihenbereich. Denn die Corona-Pandemie hat das Bewusstsein der Anleger für solche Strategien und den Mehrwert, den sie bringen können, nochmals geschärft – gerade auch im Hinblick auf das Risikomanagement. Angesichts dessen steigt im Retail-Segment beispielsweise die Nachfrage nach dem Threadneedle (Lux) European Social Bond, der auf öffentliche und Unternehmensanleihen zur Finanzierung positiven gesellschaftlichen Wandels setzt. Daher haben wir kürzlich zwei Retail-Tranchen dieses Fonds aufgelegt – eine ausschüttende und eine thesaurierende.
Welches sind Ihre Tier-1-Produkte für 2021 je für den Retail-, Wholesale- und institutionellen Vertrieb?
Uleer: Die Herausforderungen, vor denen diese Kundengruppen stehen, sind in weiten Teilen ähnlich: die Suche nach laufenden Erträgen, Kapitalzuwachs und Möglichkeiten, um Portfolios noch besser zu diversifizieren. Um dem gerecht zu werden, bieten wir ein breites Spektrum an Aktien- und Anleihenfonds mit herausragender Wertentwicklung, die von der Ratingagentur Morningstar alle mit der Bestnote von fünf Sternen ausgezeichnet sind. Dazu gehören der globale Aktienfonds Threadneedle (Lux) Global Focus, die globale Nebenwertestrategie Threadneedle (Lux) Global Smaller Companies, der europäische Aktienfonds Threadneedle (Lux) European Select und der Threadneedle (Lux) European High Yield auf europäische Hochzinsanleihen. Außerdem werden wir mit dem Threadneedle (Lux) European Social Bond das Thema Nachhaltigkeit glaubwürdig und erfolgreich in den Fokus stellen. Im institutionellen Geschäft setzen wir darüber hinaus weiter auf unsere sehr überzeugende European-Investmentgrade-Strategie.
Auf welche Zielgruppe legen Sie im Vertrieb 2021 einen Schwerpunkt?
Uleer: Unser Geschäft in Deutschland entwickelt sich gerade auch im Bereich der Regionalbanken besonders dynamisch. Um dem gerecht zu werden, haben wir in den vergangenen zwei Jahren ein Team speziell für dieses Kundensegment aufgebaut. Damit betreuen wir die Banken vor Ort noch dedizierter und können ihnen einen erstklassigen Service bieten. Zudem sind wir in diesem Jahr eine strategische Partnerschaft mit der 1822direkt eingegangen, also mit der Direktbank-Tochter der Frankfurter Sparkasse. Solche Kooperationen sind für uns der nächste logische Schritt, um unsere Präsenz im Regionalbanken-Segment weiter zu stärken und dieses weiter zu erschließen. Diese erfolgreiche Entwicklung in den vergangenen Jahren wollen wir 2021 fortsetzen.
Welcher Vertriebskanal leidet aufgrund von Corona? Wie ändert die neue Realität mit weniger persönlichen Kontaktmöglichkeiten den Fondsvertrieb?
Uleer: Soweit funktioniert alles reibungslos. Alle Systeme sowie die Kommunikation mit Kunden und Kollegen hatten wir vor der zumindest teilweisen Umstellung auf Home-Office wiederholt getestet. Unser Eindruck ist, dass auch unsere Kunden gut mit den Corona-Bedingungen zurechtkommen. Sie haben nach wie vor regelmäßig direkten Zugang zu unseren Portfoliomanagern, um Informationen aus erster Hand zu erhalten. Gleichzeitig hoffen wir, dass dies kein Dauerzustand bleiben wird. Denn der persönliche Kontakt lässt sich aus meiner Sicht bisher noch nicht durch ein anderes Medium ersetzen.
Verlagert sich der Vertrieb eher in den Bereich Marketing?
Uleer: Nein, unsere Vertriebs- und Marketingplanung hat sich durch die Corona-Krise nicht wesentlich verändert, gleichwohl auch wir von der Absage von Veranstaltungen betroffen sind.
Wie viel Digitalisierung verträgt der Fondsvertrieb? Welche Bedeutung haben zwischenmenschliche Beziehungen im Vertrieb noch?
Uleer: Unser Geschäft beruht auf Vertrauen, und da wird das persönliche Gespräch vor Ort weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Gleichwohl können die Möglichkeiten des technologischen Fortschritts die persönliche Erfahrung ergänzen. Beispielsweise können digitale Vertriebskanäle dazu beitragen, zusätzliche Kundengruppen zu erreichen. Um die Chancen der Digitalisierung und die persönliche Beratung optimal miteinander zu kombinieren, bedarf es vor allem einer schnellen, übersichtlichen Website. Um all das sicherstellen zu können, werden wir unsere Website Anfang kommenden Jahres komplett neu starten.
Welche Meilensteine haben Sie sich beim Thema Nachhaltigkeit für 2021 gesetzt?
Uleer: Im Frühjahr 2019 haben wir unsere umfangreiche Fundamentalanalyse durch ein innovatives, selbst entwickeltes Responsible-Investment-Ratingsystem ergänzt. Dies ermöglicht unseren Fondsmanagern eine detaillierte und vorausblickende Gesamtschau darauf, wie verantwortungsvoll Unternehmen wirtschaften. Und es zeigt, wie gut Firmen Risiken im Zusammenhang mit Umwelt, Gesellschaft und Unternehmensführung managen. Die umfassende Integration dieses Ratingsystems in den Anlageprozess werden wir 2021 fortsetzen. Zudem wollen wir zusätzliche nachhaltige Investmentlösungen auf den Markt bringen. Diese werden Anlegern ermöglichen, ESG-Kriterien in ihre Portfolios zu integrieren beziehungsweise gezielt auf nachhaltige Ergebnisse zu setzen – den sogenannten Outcome.
Neben liquiden Assets, welche Geschäfts- und Produktwelten im Alternative-Bereich werden Sie 2021 entwickeln?
Uleer: Besonders bei unseren institutionellen Kunden steigt die Nachfrage nach illiquiden Anlagemöglichkeiten, die sich weitgehend unabhängig von traditionellen Anlageklassen entwickeln. Diesem und dem Nachhaltigkeitstrend werden wir mit dem Threadneedle European Sustainable Infrastructure Fund (ESIF) gleichzeitig gerecht – im Rahmen einer offenen, in Luxemburg aufgelegten Struktur ohne feste Laufzeit und Volumenobergrenze. Gerade auch der Bereich digitale Infrastruktur bietet vielfältige Anlagechancen. Diese Chancen und die steigende Anlegernachfrage werden wir weiterhin prüfen und schauen, ob wir unser bestehendes Lösungsangebot möglicherweise gezielt ergänzen.
Wie weit wird Ihrer Meinung nach die Fondsindustrie bei der Konsolidierung im Jahr 2021 sein?
Uleer: So wie es aussieht, wird die Corona-Pandemie Wirtschaft und Gesellschaft in vielerlei Hinsicht langfristig prägen. Dies dürfte sich auch auf die Kapitalmärkte und das Thema Geldanlage auswirken. Für die weitere Entwicklung der Fondsbranche wird entscheidend sein, wie gut sie sich an dieses neue Umfeld anpassen kann.
Wie weit wird die Verschiebung zwischen aktiven und passiven Anlageprodukten 2021 noch gehen?
Uleer: Auch in Zukunft wird es Ineffizienzen am Kapitalmarkt geben, die Renditechancen bieten. Mit passivem Investieren lassen sich diese Chancen nicht nutzen. Daher werden Anleger auch in Zukunft auf aktives Management setzen, um höhere Erträge als am breiten Markt zu erzielen. Und es wird erfolgreichen aktiven Fondsmanagern auch künftig gelingen, Mehrwert für Anleger zu erwirtschaften.