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Kolumnist Sebastian Heithoff Digitaler Vermittler-Aktionismus – Leads sind nicht alles

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In der Ausschließlichkeit sind keine zu großen Bestände gewünscht

Der Führungsaußendienst der Versicherer kann für die Agenturen der AO an diesen Stellen nur bedingt Unterstützung leisten, möchte es vielleicht auch gar nicht. Wie ich in einer vergangenen Veröffentlichung bereits feststellte, hat man über die letzten Jahrzehnte ja durchaus das Unternehmertum auf Agenturseite mit Absicht nicht gefördert und auch (zu) große Bestände eher zerteilt, da man die Macht enorm großer, gebundener Vermittler schlicht im Führungsaußendienst fürchtete.

Wenn heute nun die Versicherer aufgefordert sind, Agenturen in ihrer Individualität, ihrem Unternehmertum, zu unterstützen oder gar gezielt anzuleiten, fehlt es an den dafür nötigen Expertinnen und Experten. Denn wenn es eine Agenturentwicklung überhaupt im eigenen Hause gibt, dann sind die Kolleginnen und Kollegen in den allermeisten Fällen noch für x anderen Aufgaben eingeplant und können, beim besten Willen, nicht zig Agenturen die Grundlagen der BWL und den Weg in die digitale Transformation individuell nahe bringen. An dieser Stelle sind Versicherungsmaklerinnen und -makler dezent im Vorteil.

Kundenberührung aus dem Vertriebs-Mittelalter

Doch auch HGB 93er haben es in ihrer Kommunikation Stand heute in der Breite noch nicht geschafft, ihre Vertriebskommunikation in ein effizientes Touchpointmanagement zu verwandeln, wie es mein Mentor Thomas Burdack seit Jahren fordert. Wer heute noch kein vollwertiges Customer-Relationship-Management (CRM) -System besitzt und darüber schlau selektiert und nachhält, welche Kunden wann, wie und wie oft kontaktiert werden wollen/sollen, hat in den letzten Jahren eine Menge versäumt – und verschenkt Potential, das der Markt stattdessen abfischt.

Wir haben durch die kanalübergreifende (omnikanale) Vertriebskommunikation die Möglichkeit, unsere Kunden gezielt, geplant und gekonnt zu „berühren“. Kundenkontaktpunkte zu identifizieren, ihre Nutzung zu definieren (runde Geburtstage zum Beispiel, Firmenjubiläen) und dann die Erwartungen unseres Gegenübers idealerweise nicht bloß zu erfüllen, sondern überzuerfüllen. Das ist kein frommes Wunschdecken. Es ist einfach nur die sinnvolle Nutzung von Technologie, die es schon seit Jahren gibt.

Wie sieht dagegen aber die Realität aus? Die meisten Kunden, zumindest im Privatkundensegment, die wir betreuen, kontaktieren die meisten Vermittler nach wie vor mit einem Telefonanruf. Terminquote bei Anruf? In jedem Fall deutlich unter 70 Prozent, vermutlich sogar unter 50 Prozent. Dass wir es hier mit einem gestörten Kommunikationsverhältnis zu tun haben, verstehen die leider meisten nicht. Doch es ist so: Unsere Kunden sehen uns und unseren Mehrwert nicht, wir haben es also bislang nicht geschafft, sie zu berühren, zu begeistern. Wir haben nur ihr Portemonnaie berührt. Das wars.

Veränderung oft nur aus der Not heraus

So kommt es dazu, dass viele Versicherungsvermittlerbetriebe ihr Heil in der Flucht gen digitale Neukunden suchen. Und dass technisch längst nötige Veränderungen nicht aus Überzeugung oder einem Kundennutzen heraus angegangen werden, sondern aus Aktionismus und der wirtschaftlichen Notwendigkeit des Überlebens. Das ist in etwa so, als ob wir ein Haus versichern, das schon an „ein bisschen brennt“. Die Nutzung effizienzsteigernder Technologie, wie zum Beispiel PhraseExpress, Messenger und Online-Beratung, sollte uns allein aus Zeitersparnis wichtig sein. Wir erinnern uns: Kaum ein Vertriebler hat kein Zeitproblem.

Besser: Bekenntnis zur nachhaltigen Veränderung

Daher sollten wir uns bewusst dazu entscheiden, keine Not-Aktionen mehr zu fahren, sondern sich realistisch zu fragen: Möchte ich Versicherungs-/Finanzunternehmer:in sein oder wächst mir das Ganze über den Kopf? Kann und will ich Mitarbeiter führen, Aufgaben planen und delegieren, finanzielle Tiefs überbrücken und ein solides Unternehmen auf Jahre betrachtet erfolgreich leiten? Oder gehe ich doch lieber ins Angestelltenverhältnis und überlasse diese Verantwortung jemand anderem zu tragen?

Wichtig ist, dass ein Unternehmen als solches sich regelmäßig und dauerhaft Feedback einholt und damit arbeitet, von innen und von außen. Vertrieb ist Kommunikation, wir müssen wissen, wo wir stehen, um ermitteln zu können, was besser geht, was mehr geht und was wir lieber sein lassen sollten. Und dies müssen dann Prozesse sein, deren kontinuierliche Entwicklung wir nicht über zwei Wochen angehen, sondern über zwei Monate oder auch zwei Jahre. Das sind die Zeithorizonte, in denen Unternehmer denken. Die sind wir doch, oder?

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