Nachhaltigkeitsexperte Jan Rabe
Digitalisierung und Klimaschutz
Leitet das Nachhaltigkeitsbüro von Metzler Asset Management: Jan Rabe. Foto: Metzler AM
Steigt durch Digitalisierung der Energiebedarf von Rechenzentren so stark, dass der Klimawandel beschleunigt wird? Die Experten Jan Rabe und Ulf Plesmann von Metzler Asset Management sind sich sicher: Um die Emissionen der Kommunikationswirtschaft zu begrenzen, braucht es moderne Infrastruktur.
Eine höhere Kapitalintensität geht vor allem mit einem stärkeren Anpassungsbedarf an Herausforderungen wie dem Klimawandel einher. Sind kapitalintensive Unternehmen nicht in der Lage, diese Risiken zu senken, werden ihre Wertpapiere verstärkt von Anlegern gemieden. Dies ließe die Refinanzierungskosten kapitalintensiver Unternehmen überproportional steigen, was einem Wettbewerbsnachteil gegenüber weniger kapitalintensiven Unternehmen in vorgelagerten Segmenten der Wertschöpfungskette gleichkäme.
Sehen Anleger den Wandel kapitalintensiver Geschäftsmodelle skeptisch, sollte sich die Einzeltitelauswahl auf weniger kapitalintensive Zulieferer konzentrieren, die die notwendigen Effizienzgewinne...
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
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Eine höhere Kapitalintensität geht vor allem mit einem stärkeren Anpassungsbedarf an Herausforderungen wie dem Klimawandel einher. Sind kapitalintensive Unternehmen nicht in der Lage, diese Risiken zu senken, werden ihre Wertpapiere verstärkt von Anlegern gemieden. Dies ließe die Refinanzierungskosten kapitalintensiver Unternehmen überproportional steigen, was einem Wettbewerbsnachteil gegenüber weniger kapitalintensiven Unternehmen in vorgelagerten Segmenten der Wertschöpfungskette gleichkäme.
Sehen Anleger den Wandel kapitalintensiver Geschäftsmodelle skeptisch, sollte sich die Einzeltitelauswahl auf weniger kapitalintensive Zulieferer konzentrieren, die die notwendigen Effizienzgewinne ermöglichen:
- Infrastrukturdesign (hohes Potenzial): Das Gros des Energiebedarfs eines Rechenzentrums wird für die Kühlung und den Betrieb der Server benötigt: Neben dem Energiebedarf der Datenspeicherung (15 Prozent) und dem des Netzwerks (5 Prozent), schlagen diese beiden Posten mit jeweils 40 Prozent zu Buche. Daher ist der Bedarf an leistungsstärkeren und kleineren Prozessoren und einer effektiveren Kühlung ungebrochen.
Weitere Effizienzgewinne können aus der Virtualisierung (Infrastructure- und Soft-ware-as-a-Service) sowie der Dezentralisierung (Edge-Cloud-Computing) von Serverkapazität gewonnen werden. Dies steigert die Auslastung der Serverkapazitäten, verringert Latenzzeiten der Datenübertragung und reduziert Fixkosten.
- Energiebedarf (moderates Potenzial): Die Umstellung des Energiemix auf erneuerbare Quellen mittels Stromabnahmeverträgen ist am effektivsten, um Emissionen der Rechenzentren abzubauen. 95 Proozent der durch das Greenhouse Gas Protocoll definierten Scope 1+2 CO2-Emissionen werden dem Zukauf von Energie (Scope 2) zugeordnet. Nur 5 Prozent sind direkte Emissionen (Scope 1). Hiervon profitieren Versorger, die sich auf erneuerbare Energien – vor allem auf „grünen“ Wasserstoff – spezialisiert haben.
Dieser könnte den Diesel, der aus fossilen Quellen gewonnen wird, für den Betrieb der Not-strom-Generatoren ablösen. Künftig ließen sich Rechenzentren darüber hinaus von Wechsel- auf Gleichstrom umstellen, um Energieverluste zu reduzieren: Denn bislang gehen ungefähr 50 Prozent des zugeführten Stroms bei der Umwandlung und -verteilung im Rechenzentrum verloren – meist in Form von Wärme, die dann wieder energieaufwendig mit Klimaanlagen heruntergekühlt werden muss.
- Energieeffizienz (moderates Potenzial): Das Power Usage Effectiveness (PUE)-Verhältnis5 , das Fortschritte bei den Energieeffizienzgewinnen eines Rechenzentrums misst, hat sich nach Berechnungen des Uptime Institutes auf globaler Basis für den Zeitraum 2013 (1,65x) bis 2020 (1,59x) kaum verbessert. 2007 lag dieser Wert noch bei 2,50x. Es zeichnet sich jedoch ein Wandel ab: Neuere Rechenzentren, die von Hyperscale- oder Colocation-Unternehmen (Real Estate Investment Trusts, kurz: REITs) gebaut werden, sind in der Regel effizienter und größer. Das Uptime Institute zeigte für das Jahr 2019, dass Rechenzentren mit mehr als 20 Megawatt jährlichem Verbrauch deutlich niedrigere PUEs aufweisen als der Branchenschnitt.
Rechenzentren, die ihren PUE nicht verbessern können, haben dennoch Spielraum, ihren Energieverbrauch zu senken: Erstens können sie die Auslastung ihrer IT verbessern, Server und Prozessoren erneuern und auf batteriegestützte, unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) setzen. Zweitens lässt sich die erzeugte Wärme nutzen. Und drittens können Rechenzentren erneuerbare Energien nutzen und in deren Erzeugung investieren.
- Emissionen (niedriges Potenzial): Besonders Cloud-Plattformserviceanbieter, die Infrastruktur an REIT-Gesellschaften auslagern, üben Druck aus, Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die Emissionen werden nämlich den Cloud-Plattformserviceanbietern über die Kategorie Scope 3 zugeordnet, die wiederum 85 Prozent des Emissionsmix der Anbieter ausmachen – ein von Investoren kritisch gesehener Wert. Direkte CO2-Emissionen (Scope 1) der Rechenzentren machen etwa 15 Prozent aus. Ein Teil dessen könnte via Kohlenstoffabscheidung und -speicherung reduziert werden.
5 Power Usage Effektiveness misst das Verhältnis der Energieverbrauchs der IT-Ausrüstung gegenüber dem des Rechenzentrums. Der ideale Wert liegt bei 1, wenn alle Energie für Rechenprozesse aufgewendet wird und kaum etwas für die Kühlung.
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