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DIN-Norm für Finanzanalyse „DIN 77230 ist ein mutiger Schritt mit Schönheitsfehlern“

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In diesem Punkt begibt sich die Norm auf dünnes Eis, denn diese Sollwerte sind nur schwer objektiv belegbar. So werden zum Beispiel für zahlreiche Haftungsrisiken 10 Millionen Euro als Mindestabsicherung definiert. Begründen lässt sich dieser Wert kaum, übersteigt er doch oft bei weitem die tatsächlichen Schadenssummen. Daran zeigt sich auch ein allgemeines Dilemma in der Branche, denn nur weil bestimmte Summen üblich sind, ist das kein Beleg dafür, dass diese Summen auch notwendig sind.

Drei Bedarfsstufen

Geschickt jedoch ist der Ansatz, bei der Definition der Lückenberechnung immer zwischen drei Bedarfsstufen zu unterscheiden. Bedarfsstufe 1 sichert lediglich einen Grundbedarf, Stufe 2 den Erhalt des Lebensstandards und Stufe 3 erhöht ihn sogar. So kann der Berater grundsätzlich seinen Kunden sinnvolle und transparente Lösungen anbieten.

Allerdings, in Bezug auf die Bedarfsstufe 1 wird es in einigen Fällen problematisch werden, akzeptable Lösungen zu finden. Basis für die Ermittlung sind alle diejenigen, bei denen sich das Haushalteinkommen unter oder knapp über dem Mindeststundensatz bewegt. Und hier ist ernsthafte Kritik an der Norm angebracht. Denn bei der Berechnung des Mindeststundensatzes werden nur Ehe- beziehungsweise Lebenspartner berücksichtigt. Stillschweigend geht die Norm davon aus, dass das Kindergeld deren Kosten deckelt. Mit rund 200 Euro pro Kind lassen aber wohl kaum eine größere Wohnung, Kleidung, Essen sowie Kindergarten, Schul- und Studienkosten bezahlen. Noch größer wird die Lücke bei Bedarfsstufe 2, denn Erhalt des Lebensstandards bedeutet in diesen Fällen auch Urlaub mit Kindern und Finanzierung von Hobbys. 

Fazit

Sicher kann man über einzelne Punkte streiten. Doch alles in Allem war die DIN 77230 längst überfällig und kann Bestand haben, trotz einiger Unzulänglichkeiten. Sie ist eine solide Grundlage, um sich mit dem Thema Finanzanlage privater Haushalte auseinanderzusetzen und gibt dem Berater eine gute Systematik an die Hand.

Alle Beteiligten müssen sich aber darüber im Klaren sein, dass eine einseitige Beschränkung auf die Abarbeitung der Norm keineswegs davor schützt, Haftungsrisiken bei der Beratung gänzlich zu vermeiden. Jeder private Haushalt ist letztlich ein Individualfall, es wird außerhalb der Norm immer Punkte geben, über die man mit dem Kunden gesondert reden muss.

Auch die Berechnung der Lücken ist in einigen Bereichen streitbar. So könnte es mit der Norm passieren, die tatsächlichen Kosten für Kinder zu unterschätzen. Ebenso stellt sich die Frage, warum nicht die Eltern als Kostenrisiko in die Beratung mit aufgenommen kommen werden. Unabhängig davon, dass das Pflegerisiko nicht zu unterschätzen ist, könnte sich der Kunde auch so wirtschaftlich für die Eltern verantwortlich fühlen, wenn zum Beispiel die Altersvorsorge der Eltern nicht ausreichend ist.

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