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Wegen Kritik an der EZB Diskussion um Paul-Kirchhof-Interview

Ehemaliger Verfassungsrichter Paul Kirchhof
Ehemaliger Verfassungsrichter Paul Kirchhof: „Unzulässiger Eingriff ins Privateigentum von Sparern“ | Foto: imago images / Becker&Bredel

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ist unter Finanz-Fachleuten ein Dauerbrenner-Thema: Sind dauerhafte Niedrigzinsen gerechtfertigt, und überschreitet die EZB nicht möglicherweise ihre Kompetenzen?

In dem sozialen Berufsnetzwerk Linkedin entspann sich jetzt einmal mehr eine engagierte Diskussion. Auslöser der Debatte, in die sich auch einige prominente Kommentatoren eingeklinkt haben, ist ein Interview des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof mit der Tageszeitung „Die Welt“. Kirchhof betrachtet das Thema von der rechtlichen Seite und bezeichnet die Niedrigzinspolitik der EZB als unzulässigen Eingriff in Privateigentum von Sparern. Der Linkedin-Nutzer Tiemo Kracht, Managing Director des Personalberatungsunternehmens Board Connect, hatte den Beitrag gepostet und eine Auswahl an Zitaten zusammengefasst.

Der Sparer ist von dieser Geldpolitik unmittelbar in seiner Rechtsposition betroffen, die ihm seit vielen Jahrzehnten in Deutschland und überall vertraut war“, beklagt Kirchhof demnach. Die EZB habe eine sicher geglaubte Ertragsquelle mit rund 3 Prozent jährlichen Zinsen zunichte gemacht. Die Nullzinspolitik sorge dafür, „dass das gesparte Kapital nicht mehr arbeitet“.

Der Negativzins enteigne Sparer umso mehr, Eigentum gehe so von privater in die öffentliche Hand über – obwohl Staaten eigentlich nicht auf Privateigentum zugreifen dürften. „Das ist verfassungswidrig und widerspricht auch dem Europarecht“, findet Kirchhof.

Der von Kracht gepostete Linkedin-Beitrag löste einige Reaktionen aus.

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Nutzer Klaus-Jürgen Siewert von der Berliner Volksbank pflichtet beispielsweise bei: „Die EZB ist zur mächtigsten Institution der EU geworden und unterliegt keiner parlamentarischen Kontrolle.“ An vielen Stellen führe das zu „maßlosen Kompetenzüberschreitungen.“

Richard Böger, Vorstandschef der Bank für Kirche und Caritas, gibt dagegen auf Kirchhofs Thesen hin zu bedenken: „Es gibt kein Recht auf einen positiven Zins.“ Wenn mehr Ersparnisse vorhanden seien als Geld in Form von Krediten nachgefragt werde, könne das zu negativen Zinsen führen. Die EZB sei nicht Treiber der Entwicklung, sondern eher Getriebene.

Karsten Junius, Chefvolkswirt der Privatbank J. Safra Sarasin, kann sich mit den Argumenten Kirchhofs ebenfalls nicht anfreunden, allerdings aus einem anderen Grund. Junius spricht Kirchhof rundweg die Kompetenz ab, das Ganze richtig beurteilen zu können: „[...] die vorgebrachten Argumente haben ja kaum Grundstudiumsniveau und zeigen eine Unkenntnis selbst elementarer Zusammenhänge und der Aufgaben einer Zentralbank.“

An anderer Stelle erklärt er dann etwas nüchterner: „So wird bspw kein Sparer dazu gezwungen, Geld bei einer Bank anzulegen.“ Mit Bezug auf das Handeln der EZB lasse sich daher nicht von „Enteignung“ sprechen. Außerdem verweist auch Junius darauf, dass es nicht Aufgabe einer Zentralbank sei, Sparern einen Mindestzins zu ermöglichen. Wofür er von einigen Seiten Zuspruch bekommt.

Dass Zinsen auch ohne EZB auf null sinken können, will Tiemo Kracht auch gar nicht abstreiten. Er bleibt aber bei der Kernfrage, „ob Banken Sparguthaben tatsächlich dezimieren dürfen“. Damit bleibe er weiter ein Kritiker nicht nur der Zinspolitik, sondern auch der Ankaufspolitik der EZB.

Außerdem stellt Kracht an einer Stelle klar: „Mir ging es hier auch um eine kontroverse Diskussion.“ Und wir stellen fest: Das ist ihm gelungen.

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