Die Diversifikation hat ein Problem. Jahrzehntelang konnten sich Investoren darauf verlassen, dass verschiedene Anlageklassen ihre eigenen Wege gingen – Aktien stiegen, Anleihen fielen oder umgekehrt. Diese choreografierte Unabhängigkeit war die Grundlage robuster Portfolios. Doch seit 2021 herrscht eine beunruhigende Entwicklung: Alles bewegt sich im Gleichschritt.

„Wir haben einen fundamentalen Regimewechsel durchlaufen“, erklärt Karen Zaya, Associate Director bei Morningstar. „Makroumfelder beeinflussen Korrelationen besonders stark in Stressphasen und akuten Krisen. 2021 waren es Inflation und steigende Zinsen. Dann schnellten die Korrelationen in die Höhe.“

Das neue Beziehungsgeflecht

Die Korrelation misst, wie gleichförmig sich Anlagen bewegen – von -1 (perfekte Gegenbewegung) bis +1 (perfekte Gleichbewegung). Null bedeutet: Die Anlagen gehen völlig eigene Wege.

Gold führt die Liste der Eigenbrötler an: Mit einer Dreijahreskorrelation von nur 0,14 zum US-Aktienmarkt tanzt das Edelmetall aus der Reihe. Im Zehnjahresdurchschnitt lag die Korrelation sogar bei mikroskopischen 0,03.

Cash hat sich überraschend als neuer Star entpuppt. „Cash sah in dieser speziellen Periode tatsächlich sehr gut als Diversifikator aus“, bemerkt Christine Benz von Morningstar. In einem Umfeld steigender Zinsen war Bargeld 2022 der einzige Aktivposten mit positiven Renditen.

Bei internationalen Aktien zeigt sich ein differenziertes Bild. Entwickelte Märkte marschieren mit einer Korrelation von 0,87 fast im Gleichschritt mit US-Aktien. Schwellenländer bewahren mit 0,61 mehr Eigenständigkeit.

Auffällig: Osteuropäische Schwellenländer-Aktien tanzten plötzlich völlig aus der Reihe. Ihre Korrelation fiel von 0,82 (Ende 2021) auf 0,14 (Ende 2024). Der Ukraine-Krieg trennte diese Märkte drastisch vom Rest der Welt.

Die falschen Freunde

Manche vermeintliche Diversifikatoren entpuppen sich zudem als Mogelpackungen. Hochzinsanleihen? Korrelation von 0,89 mit US-Aktien. „Festverzinsliche Wertpapiere geringer Qualität sind nicht Ihr bester Freund“, warnt Benz trocken.

Assetklassen der Family-Offices
Assetklassen der Family-Offices | Bildquelle: DAS INVESTMENT

Auch die Anlagestile innerhalb des Aktienuniversums sind nahezu gleichgeschaltet. Ob Qualitätsaktien, Small Caps oder Value-Titel – sie marschieren im Gleichschritt. „Über alle Hauptfaktoren hinweg neigen sie dazu, ziemlich hohe Korrelationen mit dem Markt aufzuweisen“, konstatiert Amy Arnott von Morningstar. Die Hoffnung, durch clevere Stilwahl dem Markt ein Schnippchen zu schlagen? Mit Korrelationen zwischen 0,90 und 0,96 eher Wunschdenken.

Private Equity sollte eigentlich anders ticken, schließlich handelt es sich um nicht börsennotierte Unternehmen mit langen Investitionshorizonten. Doch die Realität ist ernüchternd: Mit einer Korrelation von 0,90 zum Aktienmarkt bewegt sich Private Equity fast im Gleichklang mit börsennotierten Titeln. „Der Diversifikationsnutzen war ziemlich inkonsistent“, räumt Zaya ein. Hinzu kommen die bekannten Nachteile: Illiquidität, hohe Einstiegshürden und eine oft geschönte Bewertung.

Und Bitcoin? Die Krypto-Revolution versprach eine neue Ära der Diversifikation. Tatsächlich wiesen digitale Währungen historisch kaum Verbindungen zu traditionellen Märkten auf. Doch auch hier schlägt die Korrelationsinflation zu: Mit 0,58 hat sich Bitcoin dem Mainstream angenähert. Die extreme Volatilität – mal plus 120 Prozent, mal minus 65 Prozent – macht die digitale Währung zudem zur Achterbahnfahrt für Hartgesottene.


Die neue Realität

Die Zeiten, in denen ein simples 60/40-Portfolio aus Aktien und Anleihen auf Autopilot lief, scheinen endgültig vorbei zu sein. Portfoliomanager benötigen mehr denn je Fingerspitzengefühl. „Schwellenländer könnten eine bessere Diversifikation für US-Aktien bieten als entwickelte Märkte“, merkt etwa Benz an. Der Grund seien unterschiedliche Wirtschaftszyklen und Sektorgewichtungen.

Das Korrelations-Ranking 2024 von Morningstar
Das Korrelations-Ranking 2024 von Morningstar | Bildquelle: DAS INVESTMENT

Bei Anleihen zählt Qualität mehr denn je – hochwertige Staatsanleihen bleiben trotz gestiegener Korrelationen wichtige Stabilisatoren im Portfolio. Gold wiederum verdient eine Renaissance als echter Diversifikator. Und Cash ist plötzlich wieder attraktiv.

Die Botschaft ist somit klar: Einfache Lösungen gibt es nicht mehr. Die Kunst besteht vielmehr darin, die wenigen verbliebenen echten Diversifikatoren zu finden und klug in der Vermögensverwaltung einzusetzen. Denn in der neuen Welt der Korrelationen ist nur eines sicher: Alte Gewissheiten gehören über Bord.